Heft 
(2024) 118
Seite
87
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Innstettens Angst vor dem Chinesen Siemsen 87 sprüchen hat. Er ist das Menetekel, auf das Innstetten seine diesbezüglich anfällige Umgebung, Effi und Crampas nämlich, immer wieder hinweist. Wie wichtig Warnung, Bestätigung und Antizipation/Menetekel im be­ständigen, wenn auch unterschwelligen Abgleich mit dem»Werther­Chinesen(-Imago)« für Innstetten sind, zeigt sich an etlichen Stellen im Buch, wo er seine persönlichen Konsequenzen aus der durchlebten Drei­eckskrise zum Maßstab gelungener, gar geglückter Lebensführung abstra­hiert. Beispielhaft seien zwei Stellen angeführt. Im zehnten Kapitel kommt das Gespräch während der gemeinsamen morgendlichen Ausfahrt nach Effis Angstnacht mit dem Chinesen auf die Sängerin Trippelli, zu deren Liederabend Apotheker Gieshübler Effi und Innstetten eingeladen hat. Effi erfährt, dass Trippelli die Tochter des ehe­maligen Kessiner Pastors Trippel ist, der seinerzeit die Trauung zwischen Nina und dem Kapitän vorgenommen hat. Sie hat die künstlerische Lauf­bahn einer Sängerin eingeschlagen und ist mit einem russischen Fürsten , der auch ihr Förderer ist, auf nicht gesellschaftskonforme Weise liiert. Effi ist vom»aparten«(EB, S. 100) Lebenslauf der Trippelli entzückt, woraufhin Innstetten sie mit Rückbezug auf ihr nächtliches Chinesenerlebnis mahnt: »Spuk, dazu kann man sich stellen, wie man will. Aber hüte Dich vor dem Aparten oder was man so das Aparte nennt. Was Dir so verlockend er­scheint und ich rechne auch ein Leben dahin, wie`s die Trippelli führt das bezahlt man in der Regel mit seinem Glück.«(EB, S. 100–101) Im 16. Kapitel bringt Crampas bei einem der gemeinsamen Strandaus­ritte mit Innstetten und Effi den Gedanken auf, beim nächsten Mal auf Rob­benjagd zu gehen. Innstetten verwirft den Vorschlag mit Verweis auf die Rechtslage, worauf Crampas entgegnet, dass alle Gesetzlichkeiten langwei­lig seien(vgl. EB, S. 150). Effi stimmt Crampas durch Händeklatschen be­geistert zu, aber Innstetten ermahnt Crampas:»›ein Mann wie Sie, der soll­te doch eigentlich sowas nicht reden, auch nicht einmal im Spaß. Indessen, ich weiß schon, Sie haben einen himmlischen Kehrmichnichtdran und den­ken, der Himmel wird nicht gleich einstürzen. Nein, gleich nicht. Aber mal kommt es.«(EB, S. 151) 92 In beiden Beispielen sieht man, wie Warnung, Bestätigung und Menete­kel-Funktion des Chinesen ineinandergreifen: Beide Mal geht es um gesell­schaftswidrige Verwirklichungen individueller Wünsche und Bedürfnisse, beide Mal steht es für Innstetten fest, dass solche Verwirklichungsversuche in persönliches Unglück und persönliche Katastrophen führen(Warnung und Antizipation/Menetekel), und beide Mal kann er sich deshalb in seiner Einsicht und seinem daraus gefolgerten Verzicht auf solche Verwirkli­chungsversuche bestätigt sehen. Was nach Pedanterie und moralisierender Belehrung klingt im jeweiligen Gesprächskontext auch ist, hat seinen Grund aber nicht nur in Innstettens»Prinzipien«(vor denen Effi sich»fürch-