106 Fontane Blätter 118 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte 1859 von Interesse:»Heut[…] begegnet mir Chevallerie und Dr. Andreas Sommer. Die üblichen Fragen, Ulk, Geschrei, Gelächter etc. Plötzlich sagte der alte Andreas: ›nun, und Ihr Sohn hat eine Prämie erhalten; freu mich sehr; wie alt ist er denn schon?‹ Eine Prämie, mein Sohn, Andreas Sommer, London , – mir schwindelt der Kopf.« 40 Die Auflösung ist nach einigem Nachdenken einfach: Es kann nur in der Zeitung gestanden haben, ob von Hein rich Beta , dem Londoner Korrespondenten für zahlreiche deutsche Blätter, oder einem anderen herrührend, ist ungewiss. So alt war»der alte Andreas« noch nicht, aber mit dem Geburtsjahr 1804 doch um fünfzehn Jahre älter als der Briefschreiber, und ganz unvertraut scheinen sie auch nicht gewesen zu sein. Wichtiger ist aber im vorliegenden Zusammenhang der Begleiter, denn so trafen an diesem 25. Januar 1859 gleich drei ehemalige Mitarbeiter der Pressestelle zusammen.»Leutnant a. D. Otto de la Chevallerie, mit 480 Rtlr. Remuneration, wurde, nachdem er von seinen früheren politischen Verirrungen zurückgekehrt, im Mai 1852 bei der Centralstelle angenommen.« 41 De la Chevallerie hatte im August 1848 vom Kriegslager, genauer, vom (Schein-)Feldzug gegen Dänemark aus eine bitterböse Abrechnung mit der »Tragikomödie, welche die specifisch preußenthümliche Politik hier in Schleswig-Holstein durchzuführen gesonnen ist«, 42 in Berlin veröffentlicht und seinen Abschied aus der Armee genommen.»[P]olitische Verirrungen« waren das nicht(oder doch nur aus Regierungssicht), denn er führte darin auch eine Auseinandersetzung mit Karl Gustav von Griesheims Aufsehen erregender Broschüre Die Deutsche Centralgewalt und die Preußische Ar mee , die sich gegen die Frankfurter Nationalversammlung und die Reichszentralgewalt und für die unbedingte Selbständigkeit der preußischen Armee unter ihrem König als alleinigem Befehlshaber ausssprach. 43 In der Centralstelle für Preßangelegenheiten scheint man, wie sich noch zeigen wird, eine gewisse Vorliebe für Reumütige und Renegaten gehabt zu haben. 5. Sommers Berliner Barrikadenlieder und die Folgen Der Patriotische Verein hatte Merckel und Sommer zusammengeführt und Merckel den ehemaligen Vereinsgenossen am 1. Oktober 1850 im Literarischen Cabinet engagiert. Dass Sommer sich vorher, 1848/49, aber derart ins Zeug gelegt hatte, dass man sogar in der Augsburger Allgemeinen Zei tung von ihm sprach(»Gemüthliche Vernunft , mit etwas Frömmigkeit gemischt, predigt Dr. Andreas Sommer nun schon in siebzehn und einigen Ansprachen an die Demokraten « 44 ), ging wohl auch auf seine»politischen Verirrungen« zurück.»Andreas Sommer, der später in unzähligen Zeitungsartikeln die Revolution bekämpft, singt ›Berliner Barrikadenlieder‹«, 45 vermerkt Wolffs Berliner Revolutions- Chronik. Tatsächlich waren nach den
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(2024) 118
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