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Und die Orgel, diese Haupträgerin der in Ton und Wort sich äußernden Anbetung eines nicht jüdischen Bekenntnisses, dieses Instrument, auf welches die Söhne und Töchter dieses nicht jüdischen Bekenntnisses „das Werk der menschlichen Herzen, Zungen und Lippen übertragen" *) — dieses sollte im jüdischen Gotteshause eine Stätte finden dürfen?
Das Orgelspiel mit seiner Wirkung auf das Gemüth ist sicherlich ein viel wesentlicherer Bestand- theil des kirchlichen Kultus, als das Glockengeläute auf dem Kirchthurm, das ja auch nur, wie jener „Baum neben dem Altäre," den sich versammelnden Gläubigen zum Zeichen dient. Ja, nach der Auffassung eines sehr bedeutenden christl. Theologen der Gegenwart, die das Dekanatsprogramm der Universität Leipzig sich zu eigen gemacht, „liegt die Frage wohl nahe, ob nicht vielleicht zuerst an die Stelle der Glocken als Begleiter des Gesanges die wechselnden Töne der in der Kirche aufgestellten Orgel in gleicher Weise getreten sind?"**)
Und doch wird es wohl auch dem kühnsten jüdischen Reformer in Deutschland nicht einfallen, aus dem Synagogenthurm Glocken anbringen zu wollen.
Da lobe ich mir das Votum eines ehrenwerthen Mitgliedes einer großen jüdischen Gemeinde in Deutschland, in der vor kurzem über die Einführung der Orgel in der neuerbauten Synagoge berathen wurde.
*) Vgl. Szurgeon, alttest. Bilder II. S. 204, angeführt von Rietschel, Aufgabe der Orgel, S. 2.
**) Vgl. Georg Rietschel, die Aufgabe der Orgel u. s. w. als Dekanatsprogramm der Universität Leipzig (1892) S. 7. und dessen diesbezüglichen Nachweis aus der Wernigeroder Urkunde, die vom „Läuten der Orgel" redet (Wernig. Urkundenbuch ed. Jakobs 1891 Nr. 85).