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Die Orgelfrage / beantwortet von Rabbiner I. Nobel in Halberstadt
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Auch hier sei an die Worte L. A. Frankl's er­innert, welche folgendermaßen lauten:

Wenn wir durch eine Straße gehen und Orgel­klänge vernehmen, so steht vor unserer Phantasie der Messe lesende Priester und wir empfinden Weihrauch­duft; gewiß aber fällt uns nicht ein, daß wir uns in der Nähe einer Synagoge befinden. Wie aber muß die Phantasie und die fromme Anschauung des Juden verletzt sein, u. s. w." 1) und ferner:

Lassen Sie sich, meine Herren! die Szene aus­malen, die sich darstellt, wenn man in eine moderne Synagoge in den Momenten tritt, wo die Predigt beginnen soll : Es tönt ein deutsches Lied, dieOrgel und die mitsingende Gemeinde begleiten es; oben steht der Prediger in schwarzem Talar mit weißen Bäffchen und einer Quadratmütze auf dem Haupte, die Wände find bilderleer und kahl. Wer, meine Herren! würde, wenn er es nicht wüßte, sich in einer Synagoge und nicht vielmehr in einem pro­testantischen Bethause glauben?" 2)

So sprach der Dichter Frankl, der keineswegs ein orthodoxer Jude gewesen. Fürwahr, es scheint, als habe er schon damals, als er die Rede hielt, der die obigen Worte entnommen sind, sich dazu berufen gefühlt, sich der Verblendeten anzunehmen.s) Der von ihm ge­schilderte Eindruck ist treffend genau so, wie er ihn ge­schildert. Man frage die viermal hunderttausend qesetzes- treuen Juden Ungarns, die Hunderttausende Rußlands, die Tausende Deutschlands man frage sie, was sie aus den alten, ehrwürdigen Gottesstätten, an welchen ihre

1) Ebendaselbst.

2) In der oben angeführten Rede.

3) L. A. Frankl gründete später ein Blindeninstitut für Israeliten m Wien.