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sie selbst die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Einzelfall durchsetzen. In einem demokratischen Rechtsstaat, zumal in einem Bundesstaat mit Selbstverwaltung in den Kommunen und in den Sozialversicherungsträgern, mit Gewerkschaften, Parteien und weiteren Vereinigungen haben die Bürger noch eine Fülle von Einflußmöglichkeiten, die eine Demokratie ausmachen und mit Leben erfüllen.
Die Idee der Mitbestimmung überträgt diese demokratischen Prinzipien und Möglichkeiten in die Wirtschaftsgesellschaft und ihre Einheiten, in die Betriebe, Unternehmen und Konzerne. Das scheint, mindestens auf den ersten Blick eine schwierige und widerspruchsvolle Bemühung zu sein. Geht es doch in der Wirtschaft darum, möglichst rasch und mit einem gegebenen, möglichst geringen Einsatz möglichst viel Ertrag zu erzielen, Werte zu schaffen, Bedürfnisse zu befriedigen, und nicht zuletzt, Gewinn zu erzielen. Gewinnstreben ist ein starker Motor für Unternehmer und für Leute, die bereit sind, ihr Kapital einzusetzen.
In vordemokratischer Zeit wurde auch jeder Einfluß, der nicht dem Prinzip wirtschaftlichen Strebens entsprach, als sachfremd ferngehalten. Nur die Kapitalgeber und ihre Vertreter konnten Plan- und Zielvorgaben machen; sie bestellten ihre Exekutiv- und Kontrollorgane, Vorstand oder Geschäftsführung und den Aufsichtsrat. Man ignorierte den„Faktor Arbeit.“ Man ignorierte den Grundsatz der katholischen Soziallehre, daß jemand, der zum gewinnbringenden Einsatz seines Kapitals auf Gehilfen angewiesen ist, mit diesen die Bedingungen für ihren Einsatz aushandeln muß(Nell-Breuning), ihm Einfluß auf die Entscheidungen geben muß, die ihn als Arbeitnehmer in seinem Betrieb betreffen.
Die Arbeiter und Angestellten bringen in die Betriebe ihre eigenen Interessen und Wünsche, ihre Sorgen, Probleme und auch ihre Freuden mit ein. Die geben sie nicht beim Betreten des Betriebs ab; die lassen sich zwar während der Arbeit weitgehend verdecken oder verdrängen. Gleichwohl wirken sie in den Menschen fort, bestimmten ihr Handeln. Auch sie wollen ihre Arbeitskraft und ihren Zeitund Mitteleinsatz möglichst gewinnbringend nutzen. Sie wollen sich auch nicht nach einem Vierteljahrhundert treuen Dienstes mit 50 Jahren zum alten Eisen werfen lassen. Sie wollen die Chance haben, auch interessantere, ihren Fähigkeiten entsprechende Aufgaben zugewiesen zu bekommen, die ihnen dann mehr Ansehen, Entfaltungsmöglichkeiten und ein höheres Einkommen einbringen.
Schon die moderne Betriebswirtschaftslehre sieht den Schlüssel zum betrieblichen Erfolg nicht in der Maximierung des Gewinns und in der maximalen Ausnutzung der eingesetzten Menschen und Arbeitsmittel. Auf längere Sicht arbeitet der Betrieb am wirtschaftlichsten, der nicht nur das eingesetzte Kapital gut bedient, sondern auch den Bedürfnissen der arbeitenden Menschen gerecht wird. Maschinen und technische Anlagen können grundsätzlich pausenlos produzieren, Menschen nicht. Man kann hochtechnisierte Apparate weitgehend fehler