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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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88 Arbeitsdirektor

Geradezu revolutionär ist die Veränderung, die die Mitbestimmungsidee in der Organisation der Wirtschaftsgesellschaften, der Aktiengesellschaften, der Ge­sellschaften mit beschränkter Haftung, der Erwerbsgenossenschaften usw.an­gerichtet hat: hatten zuvor die Kapitalanleger, die Anteilseigner, die Aktionäre, die Genossen oder die Gesellschafter über ihre jeweiligen Hauptversammlungen selbstverständlich ihre Vorstände und die sie kontrollierenden Aufsichtsräte ge­wählt oder bestellt, müssen sie jetzt die Zuwahl von Arbeitnehmervertretern vor­nehmen, die durch die Wahl in ihren Betrieben und Unternehmen bereits ein fe­stes Mandat mitbringen. Sie müssen also auch die bereits gewählten Personen hinnehmen, Und im Zusammenwirken im Aufsichtsrat müssen sie diese letz­ten Endes akzeptieren; sonst würdeder ganze Betrieb Schaden nehmen.

Und was ist mit dem Leitungsorgan, mit derRegierung des Unternehmens? Führt die Übernahme des demokratischen Modells auch dazu, daß diese von Ar­beitnehmern mitgewählt wird? Ja und nein!

Wir haben da zwischen zweiUnternehmensvölkern zu unterscheiden, den An­teilseignern und den Arbeitnehmern. So üben die Aktionäre ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft in der Hauptversammlung aus, soweit das Ak­tiengesetz nichts anderes bestimmt. Sie bestellen dort die Mitglieder des Auf­sichtsrats, soweit diese nicht entsandt oder gewählt werden(MitbestErgG). Die Arbeitnehmer wählen ihre Vertreter für den Aufsichtsrat selbst, über Wahlmän­nerversammlungen oder Wahlkörper. Sie haben auf die Zusammensetzung der Wahlgremien der Anteilseigner keinen Einfluß, wohl aber diese indirekt über die von ihnen beauftragten Arbeitgeber, die ihrerseits die Arbeitnehmer angestellt haben. Und im Aufsichtsrat, in dem gleich viele Anteilseigner- wie Arbeitneh­mer-Vertreter sitzen, wählen diese gemeinsam dann dieUnternehmensregie­rung, also den Vorstand. Mit feinen Unterschieden freilich: nach$ 13 Mitbe­stimmungsgesetz Bergbau und Eisen von 1951 darf der Arbeitsdirektor nicht ge­gen die Mehrheit der Arbeitnehmervertreter, einschließlich des oder der weiteren Mitglieder auf der Arbeiterbank, bestellt werden. Nach den beiden anderen Mit­bestimmungsgesetzen werden alle Vorstandsmitglieder in gleicher Weise ge­wählt. Sie sind also bereits nach dem Wahlmodus gleichgestellt. Allerdings wird dem Arbeitsdirektor als einzigen mit dieser Wahl auch das Personal- und Sozial­wesen des Unternehmens als Kernbereich seiner Funktionen zugewiesen.

Man kann schließlich die Tarifautonomie ebenfalls als eine Mitbestimmungsebe­ne über Unternehmen und Konzerne hinaus auffassen. Hier nehmen wieder die Arbeitnehmer, diesmal über ihre Gewerkschaften, die Arbeitgeber über ihre Verbände bestimmenden Einfluß auf ihre Entgelt- und Arbeitsbedingungen, die in alle Beteiligten bindenden Normen festgelegt werden.