88 Arbeitsdirektor
Geradezu revolutionär ist die Veränderung, die die Mitbestimmungsidee in der Organisation der Wirtschaftsgesellschaften, der Aktiengesellschaften, der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, der Erwerbsgenossenschaften usw.„angerichtet“ hat: hatten zuvor die Kapitalanleger, die Anteilseigner, die Aktionäre, die Genossen oder die Gesellschafter über ihre jeweiligen Hauptversammlungen selbstverständlich ihre Vorstände und die sie kontrollierenden Aufsichtsräte gewählt oder bestellt, müssen sie jetzt die Zuwahl von Arbeitnehmervertretern vornehmen, die durch die Wahl in ihren Betrieben und Unternehmen bereits ein festes Mandat mitbringen. Sie müssen also auch die bereits gewählten Personen „hinnehmen“, Und im Zusammenwirken im Aufsichtsrat müssen sie diese letzten Endes akzeptieren; sonst würde„der ganze Betrieb“ Schaden nehmen.
Und was ist mit dem Leitungsorgan, mit der„Regierung“ des Unternehmens? Führt die Übernahme des demokratischen Modells auch dazu, daß diese von Arbeitnehmern mitgewählt wird? Ja und nein!
Wir haben da zwischen zwei„Unternehmensvölkern“ zu unterscheiden, den Anteilseignern und den Arbeitnehmern. So üben die Aktionäre ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft in der Hauptversammlung aus, soweit das Aktiengesetz nichts anderes bestimmt. Sie bestellen dort die Mitglieder des Aufsichtsrats, soweit diese nicht entsandt oder gewählt werden(MitbestErgG). Die Arbeitnehmer wählen ihre Vertreter für den Aufsichtsrat selbst, über Wahlmännerversammlungen oder Wahlkörper. Sie haben auf die Zusammensetzung der Wahlgremien der Anteilseigner keinen Einfluß, wohl aber diese indirekt über die von ihnen beauftragten Arbeitgeber, die ihrerseits die Arbeitnehmer angestellt haben. Und im Aufsichtsrat, in dem gleich viele Anteilseigner- wie Arbeitnehmer-Vertreter sitzen, wählen diese gemeinsam dann die„Unternehmensregierung“, also den Vorstand. Mit feinen Unterschieden freilich: nach$ 13 Mitbestimmungsgesetz Bergbau und Eisen von 1951 darf der Arbeitsdirektor nicht gegen die Mehrheit der Arbeitnehmervertreter, einschließlich des oder der weiteren Mitglieder auf der Arbeiterbank, bestellt werden. Nach den beiden anderen Mitbestimmungsgesetzen werden alle Vorstandsmitglieder in gleicher Weise gewählt. Sie sind also bereits nach dem Wahlmodus gleichgestellt. Allerdings wird dem Arbeitsdirektor als einzigen mit dieser Wahl auch das Personal- und Sozialwesen des Unternehmens als Kernbereich seiner Funktionen zugewiesen.
Man kann schließlich die Tarifautonomie ebenfalls als eine Mitbestimmungsebene über Unternehmen und Konzerne hinaus auffassen. Hier nehmen wieder die Arbeitnehmer, diesmal über ihre Gewerkschaften, die Arbeitgeber über ihre Verbände bestimmenden Einfluß auf ihre Entgelt- und Arbeitsbedingungen, die in alle Beteiligten bindenden Normen festgelegt werden.