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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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Arbeitsdirektor 89

IV Der Weg

1 Ein deutscher Weg

Von alters her haben die Menschen um ihr Naturrecht gerungen, selbst auf ihre Geschicke einen gesicherten und bestimmenden Einfluß zu nehmen. Mit der Magna Charta Libertatum von 1215 rangen englische Barone ihrem König be­stimmte Freiheitsrechte ab. Bereits im 13. und im 14. Jahrhundert begehren ein­mal die Handwerker gegen die Vormacht der Händler, zum anderen die in Un­mündigkeit gehaltenen Gesellen gegen ihre Patrone auf. Hierbei geht es um den Einfluß auf die Arbeitsbedingungen durch frei ausgehandelte Verträge über von den Zünften unabhängige Verbände und um eine von den Patronen unabhängi­ge Gerichtsbarkeit.

Ein halbes Jahrtausend mußte vergehen, bis in Deutschland so etwas wie Tarif­autonomie, Betriebsverfassung und Arbeitsgerichtsbarkeit entstehen konnten. Deutsche Arbeitnehmerorganisationen beginnen um 1848, sich zentral zu orga­nisieren. Erste arbeitsgesetzliche Bestimmungen finden sich in der Preußischen Gewerbeordnung von 1845. Ein Entwurf aus der Frankfurter Nationalversamm­lung sieht die Einrichtung von Fabrikausschüssen aus Arbeitgeber- und Arbeit­nehmervertretern vor, die Fabrikordnungen entwerfen und kontrollieren sowie Streitigkeiten im Betrieb schlichten sollen. Der Entwurf drang nicht durch. Ar­beiterausschüsse, die der Arbeitgeber anzuhören hatte, deren Zustimmung in be­stimmten Angelegenheiten er sogar benötigte, sahen das Arbeitsschutzgesetz von 1891, das Allgemeine Preußische Berggesetz von 1865 und schließlich auch das Gesetz über den Vaterländischen Hilfsdienst von 1916 vor, dieses zudem noch Angestelltenausschüsse.

Der erste deutsche Tarifvertrag datiert zwar von 1873; aber erst mit den Tarif­vertragsgesetzen von 1918 und 1952 wurde rechtsdogmatisch das Problem ge­löst, wie man Verträge zu Lasten und zugunsten Dritter, hier Arbeitnehmer und Arbeitgeber schließen kann, die selbst nicht unterzeichnen. Der sog. normative Teil solcher Verträge ist wie ein Gesetz zu behandeln und auszulegen. Ganz Ähn­liches gilt für Betriebsvereinbarungen.

Zum Ende des Ersten Weltkrieges bildeten in vielen Frontabschnitten und in der Heimat russische und deutsche Soldaten Räte, die Arbeiter- und Soldatenräte. Sie stellten einen Akt und eine Form direkter Demokratie und Selbstverwaltung dar. Diese sollten ohne Vorgesetzte die auch vielerorts abgesetzt wurden ohne Parteien oder Gewerkschaften, ohne irgendwelche Vermittlungen und Re­präsentaten, und vor allem ohne sog. Gewaltenteilung funktionieren. Diear­beitenden Räte sollten alles, was zu regeln war, unmittelbar entscheiden und auch umsetzen. Gleichwohl waren überörtliche und auch zentrale Kongresse der Arbeiter- und Soldatenräte unumgänglich. In ihnen traten auch Repräsentanten