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stem der Übergangswirtschaft“ oder eine Vorstufe zum sozialistischen Gemeineigentum. Auch heute noch wird die Mitbestimmung, vor allem die sog. qualifizierte Mitbestimmung nach den Montangesetzen, im Zusammenhang mit den Begriffen Wirtschaftsdemokratie einerseits und Sozialisierung oder Vergesellschaftung andererseits diskutiert.
Die Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum ist programmatischer Grundsatz aller DGB-Gewerkschaften, so in der Satzung der IGM verankert. Unter Hinweis hierauf haben die Spitzen der IGM im März 1983 von der Bundesregierung„nachdrücklich verlangt, daß finanzielle Beihilfen, die der Stahlindustrie von der öffentlichen Hand zur Umstrukturierung gewährt werden, in direkte Beteiligungen umzuwandeln sind.“ Sie weisen darauf hin, daß „ein Großteil der betrieblichen Arbeitnehmervertreter auf eine sofortige Vergesellschaftung der Stahlindustrie drängt.“ Geschähe nichts Entscheidendes, auch nichts„in der Mitbestimmungsfrage“, so werde„der Unmut in den Stahlrevieren sich selbst politisch Bahn brechen.“
In der Broschüre„Mitbestimmung in der Krise— Krise der Mitbestimmung? Gespräche mit Betroffenen„wird im Zusammenhang mit der Stahlkrise an Saar und Ruhr ausdrücklich der Veränderung der Besitzverhältnisse, der Enteignung gegen Entschädigung im Sinne des Art. 14 GG, der Sozialisierung das Wort geredet. Es wird auch eine Dortmunder Resolution vom 13. 12. 1982 auszugsweise zitiert, die die Überführung der Stahlindustrie in Gemeineigentum im einzelnen darstellt. Auf diese Weise sollen die Folgekosten privater wirtschaftlicher Fehlentscheidungen aufgefangen, Doppel- und Fehlinvestitionen vermieden, Bankrotte einzelner Unternehmen verhindert und der technische Fortschritt mit dem damit möglichen sozialen Fortschritt in Form von Arbeitszeitverkürzung, Humanisierung und Einkommensverbesserung gekoppelt werden. Die Aufsichtsräte sollen von Arbeitnehmern zu einer Hälfte, von den privaten Kapitaleignern und der öffentlichen Hand zur anderen Hälfte besetzt werden. Die Montanmitbestimmung soll erhalten und ausgebaut werden. Die Befugnisse des Arbeitsdirektors müßten weiter gehen als jetzt. Zwar seien die wirtschaftlichen Krisen in mitbestimmten Unternehmen sozial besser bewältigt worden, gleichwohl sei die Mitbestimmung„nicht der Weisheit letzter Schluß“. Sie bewältigte die Krise nicht. Vielmehr müsse man„weitere Ansätze“ aus den„Anfängen der Arbeiterbewegung nach dem Kriege“ wieder beleben.
Die Frage der heutigen Fragen hat Ähnlichkeit mit den radikalen Überlegungen nach dem Ersten Weltkrieg. Haben wir im Prinzip eine Wirtschaftsdemokratie, die den staatlichen Parlamentarismus„durchdringt“ und ergänzt, oder hätten wir die erst, wenn wesentliche Teile der Wirtschaft verstaatlicht sind, oder vielleicht die ganze Wirtschaft? Klar ist dabei nur: auch in verstaatlichten Betrieben und Unternehmen benötigen die dort Beschäftigten Mitbestimmung...