Druckschrift 
Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
Seite
94
Einzelbild herunterladen

94 Arbeitsdirektor

stem der Übergangswirtschaft oder eine Vorstufe zum sozialistischen Gemein­eigentum. Auch heute noch wird die Mitbestimmung, vor allem die sog. qualifi­zierte Mitbestimmung nach den Montangesetzen, im Zusammenhang mit den Begriffen Wirtschaftsdemokratie einerseits und Sozialisierung oder Vergesell­schaftung andererseits diskutiert.

Die Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum ist programmati­scher Grundsatz aller DGB-Gewerkschaften, so in der Satzung der IGM veran­kert. Unter Hinweis hierauf haben die Spitzen der IGM im März 1983 von der Bundesregierungnachdrücklich verlangt, daß finanzielle Beihilfen, die der Stahlindustrie von der öffentlichen Hand zur Umstrukturierung gewährt wer­den, in direkte Beteiligungen umzuwandeln sind. Sie weisen darauf hin, daß ein Großteil der betrieblichen Arbeitnehmervertreter auf eine sofortige Verge­sellschaftung der Stahlindustrie drängt. Geschähe nichts Entscheidendes, auch nichtsin der Mitbestimmungsfrage, so werdeder Unmut in den Stahlrevieren sich selbst politisch Bahn brechen.

In der BroschüreMitbestimmung in der Krise Krise der Mitbestimmung? Gespräche mit Betroffenenwird im Zusammenhang mit der Stahlkrise an Saar und Ruhr ausdrücklich der Veränderung der Besitzverhältnisse, der Enteignung gegen Entschädigung im Sinne des Art. 14 GG, der Sozialisierung das Wort ge­redet. Es wird auch eine Dortmunder Resolution vom 13. 12. 1982 auszugsweise zitiert, die die Überführung der Stahlindustrie in Gemeineigentum im einzelnen darstellt. Auf diese Weise sollen die Folgekosten privater wirtschaftlicher Fehl­entscheidungen aufgefangen, Doppel- und Fehlinvestitionen vermieden, Bank­rotte einzelner Unternehmen verhindert und der technische Fortschritt mit dem damit möglichen sozialen Fortschritt in Form von Arbeitszeitverkürzung, Hu­manisierung und Einkommensverbesserung gekoppelt werden. Die Aufsichtsrä­te sollen von Arbeitnehmern zu einer Hälfte, von den privaten Kapitaleignern und der öffentlichen Hand zur anderen Hälfte besetzt werden. Die Montanmit­bestimmung soll erhalten und ausgebaut werden. Die Befugnisse des Arbeitsdi­rektors müßten weiter gehen als jetzt. Zwar seien die wirtschaftlichen Krisen in mitbestimmten Unternehmen sozial besser bewältigt worden, gleichwohl sei die Mitbestimmungnicht der Weisheit letzter Schluß. Sie bewältigte die Krise nicht. Vielmehr müsse manweitere Ansätze aus denAnfängen der Arbeiter­bewegung nach dem Kriege wieder beleben.

Die Frage der heutigen Fragen hat Ähnlichkeit mit den radikalen Überlegungen nach dem Ersten Weltkrieg. Haben wir im Prinzip eine Wirtschaftsdemokratie, die den staatlichen Parlamentarismusdurchdringt und ergänzt, oder hätten wir die erst, wenn wesentliche Teile der Wirtschaft verstaatlicht sind, oder viel­leicht die ganze Wirtschaft? Klar ist dabei nur: auch in verstaatlichten Betrieben und Unternehmen benötigen die dort Beschäftigten Mitbestimmung...