104 Arbeitsdirektor
Eisberges, Spitze der Pyramide, Speerspitze, wie man will. Und besonders das Bestellungsverfahren des Gesetzes von 1951 bestärkt diese Idee.
Gleichwohl ist sie abwegig. Der Arbeitnehmer, der Arbeitgeberfunktionen ausübt(E.J. Geckler, Der Arbeitsdirektor, Heidelberg 1964, S. 13), ist mehr als ein Paradoxon. Er wäre vergleichbar mit der Vorstellung, die Emanzipation der Frau durch Geschlechtsumwandlung zu bewirken.(Eine unter mehr als einem Gesichtspunkt unbehagliche Vorstellung...) Rolf Spaethen, 1960—1967 Vorsitzender der DAG, bezeichnete diese Idee als eine„Sünde gegen den Heiligen Geist der Mitbestimmung.“
Der Arbeitsdirektor ist Unternehmer, auch wenn er zuvor Arbeitnehmer war, auch wenn er von der Gewerkschaft vorgeschlagen und nicht gegen den Willen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bestellt worden ist. Er ist Unternehmer, wie Thomas Becket Erzbischof von Canterbury wurde, obwohl er vom König ernannt wurde, damit er sein Vertrauensmann in der Kirche sei.(Die Enttäuschung führte zum Mord im Dom...)
Auch die Gewerkschaften, auch die Arbeitnehmer sind nicht selten von„ihrem Mann im Vorstand“ enttäuscht. Entweder weil er tatsächlich bei kritischen Entscheidungen beiseite geschoben wird, oder weil er unangenehme Entscheidungen mit fällt, mit trägt, mit vertritt. Tatsächlich kann der Arbeitsdirektor die Interessen der Beschäftigten in die Entscheidungsprozesse einbringen; er kann vielleicht sogar, wie das immer wieder geschieht, die Schließung eines Werkes verhindern, aufschieben oder die Bedingungen sozialer gestalten. Hat aber der Vorstand entschieden, ist die Sache durch den Aufsichtsrat, der nicht selten die Geschicke eines Unternehmens stärker lenkt, als das Gesetz das vorsieht, dann kann auch der Arbeitsdirektor nicht mehr zurück. Es hat auch wenig Sinn, ein privates Unternehmen, das Gewinn machen muß, um zu existieren, künstlich am Leben— oder zu groß— zu erhalten, wenn es sich am Markt nicht behaupten kann. Im extremen Fall kann eine Scheinfirma daraus werden; und die Arbeitnehmer, die produzieren, was keiner haben will, bezögen letzten Endes Almosen. Sie haben weder einen sicheren noch einen sinnvollen Arbeitsplatz. Auch Unternehmen im Besitz des Staates(des Volkes, im Gemeineigentum etc.), geht es nicht anders. Sie kaschieren und finanzieren das Elend nur mit Steuergeldern.
Etwas ganz anderes sind Betriebe, die Produkte oder Dienstleistungen vorhalten, die notwendig und mindestens sehr nützlich sind, die aber keinen unmittelbaren Gewinn in der Erlebenszeit eines privaten Unternehmens abwerfen können. Es gibt solche Werte im Bereich der Erforschung oder Einführung von Zukunftstechnologien, für die Wiederherstellung und Erhaltung unserer Umwelt, im Gesundheitswesen, im Bildungswesen. Hier muß sich entsprechend den Wertentscheidungen der Wähler und ihrer parlamentarischen Vertretungen die öffentliche Hand schaffend oder fördernd engagieren.