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Frankreich, Holland, Pfalz, Polen, Rußland, Salzburg, Schweiz, Tirol oder einem anderen Lande an, während alle diese fremden Bestandteile sich im Fühlen und Denken fast völlig der Umgebung ihres Wohnortes angepaßt haben.
Wir haben also, von den Gebieten im Südosten abgesehen, in denen noch bis vor kurzer Zeit das Wendische die Umgangssprache war, einen einheitlichen Typus des Wärters, hinter dem freilich eine eingehende anthropologische Untersuchung manche Verschiedenheit darlegen würde. Aber innerhalb dieser Einheitlichkeit hat die geschichtliche Entwicklung doch auch wieder Abwandlungen erzeugt oder vertieft, die sich im wesentlichen in ständischen Gewohnheiten und Empfindungen äußern. Denn der einfache, noch nicht stark von den Einflüssen seiner Umgebung abhängige Aiensch bildet sich zu einem einheitlichen Typus um, der sich über alle Glieder einer durch die gemeinsame Sprache verbundenen Volksgenossenschaft erstreckt. Die Kultur, die selten auf die gleichmäßige Ausbildung aller Geistes- und Willenskräfte gerichtet ist, sondern je nach den Umständen nur die, auf gleichen Lebensgewohnheiten stehenden zur Entwicklung kommen läßt, ändert indessen ganz erheblich an diesem Typus. Sie bildet Ausdrucksschichten, die sich im wesentlichen mit den ständischen Gliederungen decken. Die bewegenden Kräfte sind vorzugsweise seelische Vorgänge, die in ihrer Tiefe und in ihrem Zusammenhänge mit der völkischen Art noch nicht erforscht sind, die aber durch Erziehung und ständische Gewohnheiten sich weiter vererben und besonders in dem Gesichtsausdruck hervorkehren. Wir können in der Provinz Brandenburg Edelmann, Bürger und Bauer als Vertreter dieser ständischen Gliederungen erkennen, die vielfach wohl schon mit der Kolonisationsbewegungen in der Anlage vorhanden waren, die aber durch die verändernde Kultur sich erst schärfer herausgebildet haben.
Der märkische Grundherr-— ganz gleich, ob er als Lokator die Besiedlung organisierte, oder ob er später unter dem Schutze der Landesherren in ein obrigkeitliches Verhältnis zu der Landbevölkerung trat — befestigte sich immer mehr in der Stellung eines kleinen Gebieters, je mehr ihn die Entwicklung zu dem Ackerbau drängte. Reisen in außermärkische Gebiete, Familienbeziehungen zu dem dortigen Adel und enge Verbindung mit dem Hofe mußten ihn mit dem Bewußtsein seiner sozialen Stellung erfüllen. Die Künstler der Renaissance lassen auf den Grabdarstcllungen fast durchgehends den verewigten Adligen in einer hoheitsvollen, befehlenden Stellung erscheinen. Das Gesicht kündet ruhige Entschlossenheit und sichere Überlegenheit, der ein Zug von strengem Ernst beigemischt ist. Weiche oder auch grüblerische Züge, die auf eine nachdenkliche, sinnende Natur schließen ließen, fehlen selbst bei den Frauengestalten mit ihren, mehr einen klugen, klaren Verstand oder eine schlichte und aufrichtige Frömmigkeit zur Schau tragenden Gesichtern. Wir sehen denn auch, daß die Nlänner, selbst als Abte und Kirchenfürsten, in der Regel mehr Sinn für das Naheliegende, für Ordnung lind für die Bedürfnisse des täglichen Lebens, als für feine Politik und weitsichtige Pläne oder für geistige Znteressen haben. Dagegen sind sie — mit Recht oder Unrecht sei dahingestellt! — oft Träger eines derben echt niederdeutschen Humors, der auch dann kennzeichnend bleibt, wenn die ihnen vom Volke angedichteten Erzählungen der Kritik nicht standhalten. Das Volk, das immer einen guten Blick für die Tharakteristik Höherstelxnder hat, handelt zwar unhistorisch, aber es dichtet nicht.