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drängten. Und dieses war derselbe Bauer, dessen Vorfahren einst hoffnungsfreudig in die Mark gezogen waren!
Manches von seiner mannhaften Unbeschränktheit hat der märkische Bauer im Laufe der Zeit verloren, geblieben waren ihm der eiserne Fleiß, der auf die Bearbeitung der heimatlichen Scholle gerichtet war, und der stille Ernst, mit dem er alle Stadien seines Lebens im Gleichgewicht erhielt. „Diese werten stillen Männer, die oft ein viel trotzigeres Gesicht machten als die Meeranwohner, mit finsteren Augen guckten wie der Mols aus der Sandgrube," wie sie nicht unzutreffend der Minister von Stein einmal beurteilte, sind aber dieselben Männer, die in der Stunde der Gefahr entschlossen zur Tat schreiten, wenn es sich um die Heimat und um das Fürstenhaus handelte, das trotz aller entgegenstehenden Hindernisse sein Los zu erleichtern bestrebt war. Der Ausspruch jener westhavelländischen Bauern: „Mir sind Bauern von geringem Gut und dienen unserem gnädigsten Kurfürsten mit unserem Blut," ist keineswegs die Anerkennung einer cntwicklungslosen Geschichte, sondern der sprachliche Ausdruck für das Verständnis seiner Lage und seiner Empfindungen für das Herrschergeschlecht. Von den alten Freiheiten war vieles verloren gegangen, innerhalb seines Dorfes waltete der ehemalige Bauerngeist ungebrochen, der zunächst in das bäuerliche Wirtschaftsleben eingriff und dieses als eine Einheit auffaßte, der aber auch einer Verbindung mit anderen Ständen sich nicht verschloß, soweit diese nicht in sein eigenstes Erwerbsgebiet eingriffen. Dann aber entstand die feindselige Gesinnung gegen die Stadt, insbesondere auch gegen die Grundherren, die um so gefährlicher wurde, als sie nicht offen hervortrat und sich häufig einer unterwürfigen Maske bediente.
Das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit, die Erkenntnis eines gemeinsamen Druckes von seiten der Bürger und der Grundherren einte die Bauern in Kleidung, Gewohnheit, Denkungsweise, Gebaren, selbst im Gesichtsausdruck und gab ihm jenen Stil, den bereits Hans Sachs in seinen Dichtungen, Albrecht Dürer und andere Zeitgenossen im Bilde hervortreten ließen. Wenn die Reformation unter den Bauern blitzgleich zündete, wie der Funke den trockenen Zunder, dann war die Empfänglichkeit dafür schon lange Zeit vorher herangereift, im Guten wie im Bösen. Als der Schweizer Servetius, der sein vielleicht allzu lebhaft geäußertes Beobachtungsbedürfnis 1553 in Genf mit dem Leben bezahlte, es in schlecht verhülltem Unmut aussprach, daß der ganze Norden Deutschlands Fresser und Säufer erzeugte, hatte er wohl einzelne Dörfer im Auge, aber er suchte nicht und fand nicht die Ursache dieser Verrohung, obwohl er die Jämmerlichkeit des bäuerlichen Lebens, die Abhängigkeit von den starren Fesseln der Gutsuntertänigkeit etwas übertrieben malte. Die dem Stande innewohnende Tüchtigkeit hat er nicht bemerkt, wenigstens nicht ausgesprochen. Ls ging ihm wie vielen, die eine Erscheinung allzu subjektiv betrachten. Ls lag dem Beobachter fern, etwas weiter in die Tiefe zu dringen; selbst Pastoren konnten nur schwer über die Schwelle dieser Voreingenommenheit hinweg, oder sie schachteln ihre — fast widerwillig gegebene — Anerkennung in allerlei Bedenklichkeiten ein, wie s776 der Prediger Meißner dem Bürgermeister Büsching gegenüber: „Ich weiß, daß mit bloßen Worten, liebreichen und gründlichen Vorstellungen und ohne Zwang nichts bei ihnen auszurichten ist. Sie sind von wendischer Abkunft (>?), eigensinnig, widerspenstig, argwöhnisch, haften an Vorurteilen