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und hassen alles, was sie für Neuerungen ansehen," äußert er sich und spricht dabei gelassen ein Urteil über die Entwicklung des Bauern aus, die ganz Deutschland, auch dem priesterlichen Stande gemeinsam war. Uni wieviel klarer und richtiger war dagegen das Urteil Merians ein Jahrhundert früher, als er es aussprach, daß „die Märcker seynd gemeiniglich gutthätig und diensthaftig, sonst aber thumbkühn".
Wenn man dem thumbkühn die ältere Bedeutung des Vertrauensvollen unterlegt, dann trifft das Urteil auch heute noch zu. Auch Ernst Moritz Arndt, der den Brandenburgern Ernst und Geschlossenheit zuspricht, bestätigt das. Es ist eben auch bei dem Bauern die Entwicklung aus der gemeinsamen niederdeutschen Herkunft noch nicht verblaßt, obwohl ihm der wendische Einschlag einen weichen Zug und sein soziales Empfinden ihm ein häufig unberechtigtes Mißtrauen gegen städtische Art eingeflößt haben. Manchmal nimmt dieses Mißtrauen groteske Formen an, wie in dem Verbot des Rauchens auf offener Dorsstraße, das vor wenigen Jahrzehnten in einem neumärkischen Dorfe erfolgte. Aus diesem Solidaritätsgefühl heraus umgab sich der Bauer auch leicht mit Schranken, die ihn von anderen Ständen trennten, zugleich aber selbst beengten. Die Dorfordnungen sind solche Schranken, die nach dem Dreißigjährigen Kriege fast wie Erinnerungen einer vielhundertjährigen Vergangenheit anmuten, und die er doch nicht preisgab, weil sie ihm die Vorstellung einer kommunalen Geschlossenheit vorgaukelten. Ja, es kam wohl vor, daß solche (Ordnung mit Hilfe und vorwiegend zugunsten der Grundherrschaft zustande kam und doch von den meist beteiligten Bauern als ihr Schutz ausgenommen wurde.
Innerhalb der Schichtungen unseres Märkertums, deren eine die stammesartlichen Grundlagen, deren andere die ständischen Bewegungen bildeten, laufen andere von nicht ganz so unterscheidender Bedeutung, aber doch von zeitlichem oder örtlichem Einflüsse. An den Grenzen kommen Auflösungen und Durchsetzungen des Volkstums vor. Es sind das Wellenschläge, die bald Vordringen, bald zurückfluten und jedem Grenzgebiete den Zug des Unfertigen, Unentschiedenen geben. Für das Märkertum ist nur die Westgrenze weniger verändernd, weil hier zu beiden Seiten ein gleiches Volkstum seit Jahrhunderten gelagert ist, das zudem bis t8s? auch politisch noch nicht getrennt war. Im Norden und Süden aber decken sich nicht Stammes- und politische Grenzen. Hier nehmen bald niederdeutsch-mecklenburgische und fränkisch-thüringische Einflüsse bis tief in das märkische Land hinein Besitz, bald dringt die zähe märkische Art in das schwach besiedelte Mecklenburg und in die bewegliche Bevölkerung Sachsens vor. Im (Osten aber flutet das märkische Volkstum mit breiten Massen in die Nachbargebiete über, während von der slawischen Bevölkerung nur vereinzelte Individuen ausgenommen wurden.
Eine andere, früher wenigstens nicht unbedeutende Durchsetzung der märkischen Bevölkerung mit fremden Volksbestandteilen fand statt durch die häufigen Wanderungen fahrenden Volkes. Man wird das nicht gering anschlagen dürfen, obwohl ziffernmäßige Beläge darüber kaum zu erhalten sein werden. Aber die Provinz ist ein Durchgangsland, das seine Straßen nicht nur Gütern, sondern auch den Menschen öffnete. Aber die Bettlerplage liegen bereits seit Anfang des (5. Jahrhunderts Klagen vor. Die Reformation aber gab vielen abenteuerlichen Existenzen Veranlassung, als sogenannte ver-