Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1912) Die Volkskunde / von Robert Mielke [u.a.]
Entstehung
Seite
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Ls steht damit im Zusammenhang, daß das Giebelzeichen ursprünglich ein senkrechter Pfahl war, der zuerst in Stroh gebunden, später in Holz gebildet wurde und sich dem walm leicht aufstecken ließ/') Als hölzerner Pfosten - nicht als Brett! ausgebildet, wird es am senkrechten Giebel ein wirkungsvolles Wahrzeichen (Abb. 8 s), das mitten im Gebiete des Altsachsenhauses, zwischen Weser und haase in Havelland, im westlichen Hannover und in der Altmark, im nordwestlichen Brandenburg vereinzelt auftritt und dadurch in die sonst unbestrittene Herrschaft des Sachsenrosses bedeutende Lnklaven schafft. Östlich der Oder erscheint der Pfahl als senkrechtes Brett, das der Phantasie Gelegenheit zu mancherlei Darstellungen bot. Die ungeheure Verbreitung dieses Giebelbrettes (Holland, Hannover, .'friesland, Schleswig, Schwarzwald, Tirol, Ostdeutschland), die dem der gekreuzten Windrispen mindestens gleich ist, beweist zur Genüge sein hohes Alter.

Alan muß annehmen, daß die senkrechte Giebelverzierung älter ist als die der Giebel­pferde und ihre Abwandlungen. Wirkliche Pferde sind eigentlich nur in den Ländern des wölfischen Herrscherhauses und ihren Grenzgebieten, in Brandenburg nur in der West- prignitz, zu finden. Das spricht um so mehr für eine Herleitung aus dem wölfischen Wappen mit seinem Roß, als auch Abbildungen, die vor dem > 7. Jahrhundert entstanden sind, ein solches Kiebelzeichen nicht zeigen, und als Beispiele für die Beeinflussung der Runs! durch ein Wappen, mehrfach nachzuweisen sind?) Wenn man in Brandenburg nach dem Gegenstand der Darstellung fragt, dann erhält man wohl vereinzelt ein Pferd als Antwort, das leicht durch literarischen Einfluß in den Vorstellungskreis des Volkes gekommen sein kann, daneben aber auch einen Hund oder einen Hasen nennen. Diese Unsicher­heit, die mit der schwankenden Darstellung selbst im Linklange steht, bezeugt zur Genüge, daß von einer eingewurzelten Überlieferung nicht die Rede sein kann. Bei den spiralig geschnittenen Giebelzeichen des Spreewaldes (Abb. 8l wird der Hahn als Sinnbild an­gegeben, der übrigens auch außerhalb dieses Gebietes (Groß-Glienicke bei Potsdam, -tenzig bei Drossen, Mödlich bei Lenzen) erscheint. Daß daneben vereinzelt auch wirkliche Pferdeköpfe Vorkommen (Lagow N. M. Dechsel bei Landsberg a. w.), beweist für die mythologische Deutung ebensowenig wie das vereinzelte Auftauchen im inneren Rußland, wo diese Beziehungen fehlen. Daneben kommen in Brandenburg rein ornamentale Bildungen vor, die kaum noch als Nachbildungen von Tieren anzusprechen, die aber doch wohl als Verkümmerungen solcher Vorbilder zu betrachten sind?) Nicht selten trifft man auch verschiedene Sinnbilder an demselben Hause an, von denen das eine wohl eine ungenaue und nachträgliche Ergänzung sein wird. Die Gruppe der Giebelbretter geht nicht auf (Vorbilder zurück, sondern ist aus Blumen, geometrischen Gebilden wie dem Arei-, dem Stern oder aus dem Areuz entwickelt, vielleicht ist hier und da auch ein altes hauszeicken unter der Form verborgen. Bei einzelnen Giebelzeichen der östlichen

ft Giebelspieß, auf Fehmarn: Braut, dänisch: Husbrand, altnordisch: Brandr, platt­deutsch: Bram genannt, dient zur Versteifung der Lndsparren, wenn das Vach zum Schuhe gegen den Schlagregen über den Giebel hinaustritt.

ft z B. der Doppeladler als Wahrzeichen des alten Reiches, die Bourbonen-Lilie u. a.

ft Demgegenüber ist auch der versuch nicht selten, bei Neubauten den bekannten Pferde­kopf wieder herznstellen. Ich selbst habe auf Wunsch die Zeichnungen für einen solchen geliefert, der jetzt den Stall des Pfarrhauses in Nackel bei Friesack schmückt.