Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1912) Die Volkskunde / von Robert Mielke [u.a.]
Entstehung
Seite
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Brüstlein und Brustlätzen den nicht minder prunkenden, aber etwas billigeren Atlas gestattete,Wenn sie aber zuEhren ausgesteuert werden, mögen sie den Brautrock mit einem Wulst lein Samt verbrämen lassen. Zum Hauptschmuck mögen sie gebrauchen wie vor alters die Kränze mit Spangen und samtenen Borten." hier, wo nicht die Blöde allein, sondern ein altes Herkommen mitsprach, versuchte es der Kurfürst gar nicht mit einer Einschränkung, vielleicht auch, weil er die Vergeblichkeit eines Verbotes voraussah.

Viel geholfen wird die Verordnung nicht haben; denn bereits s60H sah sich Joachim Friedrichs wieder genötigt, gegen den Kleideraufwand seiner lieben Berliner einzuschreiten und besonders den Dienstmägden ins Gewissen zu reden. Diese müssen es geradezu toll getrieben haben, wenn ihnen aus das strengste verboten wird, seidene Kleider oder solche mit Samt verbrämt zu tragen, goldene Borten und Schnüre zu verwenden. Vielleicht hat er damit etwas mehr Erfolg durch die geschickte Taktik gehabt, die Schneider für etwaige Übertretungen haftbar zu machen. Und sollte die Neigung zu Vrunk und Vossen im stillen weitergeblüht haben, dann haben bald die Ereignisse eine eindringlichere Sprache geredet; denn schon standen drohende Wolken am politischen hinimel, die bei ihrer Entladung den ganzen Kleidertand auseinanderfegten. Der Dreißigjährige Krieg zog herauf.

Ein ganzes Menschenleben lang rauchten seine Brandfackeln. In Trauer und Not war gestürzt, was vordem in prunkender Kleidung einherstolzierte. Die Not ge­stattete kaum die Blößen zu bedecken, um die vor drei Jahrzehnten die ellenbreiten hlluder- bose schlotterte. Da gingen die Überlebenden wie die Juden bei der Zerstörung Jerusalems in Sack und Asche. Die alte germanische Trauerfarbe Weiß war schon seit der Reformation allmählich in Schwarz umgewandelt worden, das jetzt die einst so farb- freudigen Trachten beherrschte. Fast ein halbes Jahrhundert! Was aber die Ursache dieser ernsten Kleidung war, das wurde auch zu einer Wendung nach einer lichteren, fröhlicheren Tracht. Die vielen Tausende von gewerbetätigen Franzosen, die der Große Kurfürst ins Land zog, wiesen nicht nur neue Wege für die Herstellung von Kleider­stoffen, sondern sie brachten auch elegantere Schnitte und Formen mit, vereinzelt auch ganz neue Trachtenstücke. Wenn auch die Kleidung straffer und praktischer war als die der beiden Joachim, wenn auch das Bestreben hervortrat, ganze Erwerbsschichten in gleiche Gewänder zu hüllen, so begann doch der alteKleiderteufel" bereits wieder seine Herrschaft zurückzuerobern. Schon I68H suchte eine Schrift,Der Teutsch- Französische Moden-Geist, wer es liefet, der verstehets", der Kleiderverschwendung ent gegenzutreten; der Nachfolger Friedrich Wilhelms, der Kurfürst Friedrich/) der gewiß kein Lichtentsagender war, mußte sich stzhtz zu einer scharfen Kleiderordnung für die Kur­mark verstehen, und wieder ist es der überhandnehmende Luxus von Gold, Silber, Edel­stein, kostbaren Stoffen und Stickereien, den er verbieten mußte, aber nicht verhindern konnte. Denn er durfte die Industrie, die er so sehr gefördert hatte, nicht durch völliges Verschließen ihres Marktes schwächen. König Friedrich I. ging sogar weiter, indem er gerade die Lurusgewerbe pflegte und ins Land verpflanzte. Ls war ein Glück, daß

ß Kleiderordnung Joachim Friedrichs ,so-,. Bin II, S. 22Y.

h Kleider und Moden unter König'Friedrich I. Bär XI, ,885, S. 585.