Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1912) Die Volkskunde / von Robert Mielke [u.a.]
Entstehung
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daß die hausgewebte Kleidung sich in der ganzen Provinz zu örtlichen Trachten heraus­gebildet hat, und daß namentlich die Brautkleidung es zu einer gewissen reichen Kleider- sreudigkeit brachte. Am geringsten sind die Spuren der Tracht in der j)rignitz, dem Havellande und dem Kreise Ruppin. Nur abgerissene Fäden leiten dahin, daß der Hausfleiß auch hier die Tracht bis zu einem gewissen Grade bedingt hat. Aus Frehne (Vstprignitz) wird berichtet, daß die Frauen einst einen Hut mit Borten und dunkle Warf­röcke mit breitem Saume getragen haben. Die Nachricht, daß die Frauen in Warnow (Westprignitz) einen großen, breiten Hut im Sommer aufsetzten, der hinten Wachsklappen hatte, ist wohl auf den allgemein bekannten weißen Sonnenhut zu beziehen, der auch heute noch benutzt wird. Die Männer trugen in der nördlichen Mark noch Ende des Ist. Jahrhunderts stellenweise jene langen dunkelblauen Schoßröcke, die für die Bauern­tracht des s8. Jahrhunderts charakteristisch waren, und die selbst im heißesten Sommer einen dicken Schal bargen/) während die Frauen bei ihren, aus Fabrikstoffen her- gestellten Kleidern möglichst große Blumenmuster bevorzugten. Dazu kamen ein teller­förmiger Stroh- oder Filzhut oder das Kopftuch und eine blaue Bluse.

Am längsten hat sich bei den Männern die Tracht noch bei den Hirten und Arbeitern erhalten. Alexander von Minutoli gibt auf dem Titelblatt seinerDenkmäler der mittelalterlichen Kunst" einige Trachtenbilder aus Gramzow (Uckermark), die bei der Zuverlässigkeit dieses Schriftstellers unbedingt Glauben verdienen (Abb. 88). Das Uckermärkische Museum in j/renzlau bewahrt einige gestickte Frauenhauben, Reste eines alten Brautgewandes, die indessen auch bei anderen Gelegenheiten benutzt wurden. Denn nach einer mündlichen Nachricht sollen solche Hauben noch um 1880 in dem benachbarten Dorfe Melzow getragen worden sein.

vergessene Zeiten! Die Tracht ist verschwunden, wie auch die Erinnerung daran entweicht. Nur im Süden von Berlin reicht sie noch in das Ende des sst. Jahr­hunderts hinein; ja, hier gibt es noch ältere Frauen, die am Sonntage ihre Feiertagr- tracht wieder hervorholen. Nach einer mündlichen Mitteilung') trugen 1868 noch die Frauen in Groeben, Stangenhagen, Siethen, Beuchen, Zütgendorf, Kietz, Schiaß, Stücken, Fresdorf, Wildenbruch u. a. bei Potsdam, blau- bzw. schwarzpunktierte Kopftücher, die Mädchen dunkle Mieder, bunte, quergestreifte Röcke, Hemden und Strümpfe, die sie selbst gefertigt hatten. Zn Brück war vor wenigen Zähren sogar noch die Erinnerung an die Kniehosen und den kurzen Taillenrock nicht erloschen. Unaufhaltsam entschwindet die Tracht auch aus den Kreisen Belzig und Züterbog-Auckenwalde, in denen selbst die jungen Mädchen noch Ist,, ihre selbstgefertigte Tracht nicht abgelegt

Abb. 88. tickermärkische Bauer»

Nach n. Minutoli.

st solche sah ich noch t8gl> bei alten Leuten in dem brandenburgisch-mecklenburgischen Grenzgebiet. Daß der Bauer auch im Sommer recht warme Kleidung trägt, ist eine in ganz Deutschland zu machende Beobachtung, st von Pfarrer kfandtmann.