Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1912) Die Volkskunde / von Robert Mielke [u.a.]
Entstehung
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Bei Trauer oder bei der Abendmahlsfeier werden die bunten von schwarzen Kleidern ersetzt (Abb. 92). Die Männer trugen früher über einer wollenen Zacke eine geblümte Manchesterweste, dazu eine schwarze oder dunkle Hose aus gleichem Stoffe und einen schwarzen Filzhut. Zum feierlichen Kirchgänge zogen sie einen stattlichen Tuchrock an. Line verwandte Tracht, vielleicht mit einer leisen Hinneigung zu grünen Stoffen, finden wir in Neu-Hardenberg, zwischen Strausberg und Seelow. Wenn diese Tracht auch noch dem wendischen Kulturkreise zuzusprechen ist, und wenn sich vielleicht auch noch weiter westlich Reste Nachweisen lassen, so dürfte doch Berlin mit seiner Umgebung völlig im deutschen Trachtengebiete gelegen haben. Mas davon bekannt ist, z. B. eine aus den östlichen Vororten stammende Brauttracht im Märkischen Museum, hat mehr

Beziehungen zur Uckermark als zum näher gelegenen wendischen Gsten.

Der wendischen Trachtenentwicklung gegenüber sind wir günstiger gestellt als der deutschen, weil trotz aller örtlichen Abweichungen sich doch überall die gleichen Grundzüge finden. Das gilt für das ganze wendische Gebiet mit Einschluß von Sachsen und der Gberlausitz. Für die wissenschaftliche Betrachtung kommt es außerdem zustatten, daß sich das Slawentum trotz seines geringeren wirtschaft­lichen Gedeihens oder vielleicht eben darum! mit Vorliebe einer bunten Festestracht und all dem Lintagszauber einer temperamentvollen Festes freude hinzugeben wußte. Umgekehrt hat gerade dieser Zug schon früher die Aufmerksamkeit der deutschen Grundherren erregt. Mir sind darum in der glücklichen Lage, über die Entwicklungs­geschichte der wendischen Tracht in Deutschland schon vom Anfang des 18 . Jahrhunderts Aufzeichnungen und Bilder zu besitzen, die uns einerseits eine feste, einheimische Überlieferung bezeugen, andererseits aber auch die merkwürdige Über­einstimmung zwischen den einzelnen Gebieten begründen. Es würde viel zu weit führen, dies jetzt auf die oberlausitzischen Menden auszudehnen; wir müssen uns begnügen, auf die Tatsache kurz hinzuwcisen und hervorheben, daß, wie die obenerwähnten ab­gesplitterten Trachtengebiete mit der Niederlausitz sachlich Zusammenhängen, dieses Ge­samtgebiet in innigster Berührung mit der Gberlausitz steht?)

Der Spreewald ist als Trachtengebiet am bekanntesten, aber nicht am zuverlässigsten, da die Mode und vor allem die Beziehungen zu Berlin doch vieles verändert haben. Aber vor einem Menschenalter konnte die Eigenart dieses Gebietes noch studiert werden, wenn auch eine eingehende Beobacbtung zeigt, daß von einer Einheitlichkeit nur so weit

9 ltkalerial für weitere Forschungen hat der fleißige Amtmann Prensker in seinem von der Wissenschaft natürlich vielfach überholten WerkeBlicke in die vaterländische Vorzeit", Leipzig 184t, zusainmengestcllt.

Abb. 92 . Ziebinger Tracht.