Natur. Und wenn sich auch in ihr eine gewaltige Natur- und Weltbetrachiung spiegelt, so ist sie im wirtschaftlichen Leben zu einem Katechismus des täglichen Lebens ausgemünzt, dessen Wahrheit um so überzeugender ist, als seine Erfahrungssätze in dem Kreislauf eines jeden Jahres von neuern erprobt wurden. Gewiß steht hinter diesen Erfahrungen oft noch eine gewaltige unbekannte Größe, die wir nur ahnen, nicht abmessen können, die aber zweifellos ebenfalls aus der Natur geschöpft ist. Wenn es in Biesenthal heißt, man solle nach Sonnenuntergang keinen Kehricht mehr über die Schwellt brmgen, dann spricht hier keine Naturbeobachtung mit, sondern eine Vorstellung über haus und Sonne, die weit zurück in der mythologischen Vergangenheit liegt. Dagegen sind die Vorschriften über den Beginn des Roggenschnittes oder der 5aat aus Beobachtungen der Natur hervorgegangen. Sie sind Wetterregeln in knappster Horm, während der alte Erfahrungssatz „Abendrot — Wetter got, Morgenrot — Wetter Tun begot" (Bei Abendrot ist's Wetter gut, bei Morgenrot wird der Zaun begossen) nichts weiter als die täglich zu prüfende Kenntnis der Atmosphäre ist, wie auch das Quaken der Hrösche einen schönen Tag verheißt.
So weiß man, daß Regen zu erwarten steht, wenn der Mond einen Hof hat, wenn die Mücken am Abend besonders lästig sind, die Schwalben niedrig fliegen, der Grünspecht viel schreit, die Katze niest oder der Huchs sich badet. Wenn die Hunde Gras fressen, dann gibt es sogar viel Regen. Eine alte Volksweisheit kennt aus dem Verhalten des Laubfrosches das Wetter des nächsten Tages. Selbst so feine Beobachtungen wie das Verhalten der Regenblume, deren Blüte sich schließt, wenn Regenwolken nahen, sind unserem Landvolke nicht fremd. Wer sich täglich in der Natur bewegt und seine Arbeit auf sie einstellen muß, der gewinnt auch ohne Bücher die Kenntnis ihrer feinsten und weitwirkendsten Kräfte. Wenn das Wiesenschaumkraut (Oarckamlrw pratensis) im Hrühjahr die Wiesen weißrötlich überzieht, dann weiß man in der wasserreichen Niederlausitz, daß eine Überschwemmung in Aussicht steht. Die Nutzanwendung aus der Beob- acküung, daß man Bäume am besten im Hrühwinter fällen könne, wenn Hrau Holle ihre Letten macht, wird durch den echt niederdeutschen Spruch klargelegt: „Habian, Sebastian, idie beiden heiligen des 20. Haimar) laet den Saft int holt gaen."h Es ist das dieselbe richtige Beobachtung, die in der winterlichen Schneedecke die beste Gewähr für die Sommersaat sieht, denn „eine weiße Ganz brütet besser", doch tut „Märzenschnee den Maaten weh". Hür die Schaffchur aber muß das Wollhaar eine bestimmte Länge haben, d. h. eigentlich braucht das Tier seine wärmehaltende Kleidung noch lange Zeit selbst, also folgert der Landmann: „Wer seine Schafe schert vor Servaz (f3. Mai), dem ist die Wolle lieber als das Schaf." Und soll der Roggen im Sommer gut werden, dann muß er am Georgentag (23. April) schon so hoch sein, daß sich eine Krähe darin verstecken kann. Am hakobstage (23. chuli) beginnt in der Regel der Kornschnitt, weil die Erfahrung gelehrt hat, daß an diesem Kalendertage das Korn reif ist. Zwischen Allerheiligen (j. November) und Lichtmeß (2. Hebruar, Mariä Reinigung) liegt die Zeit des Dreschens, mit ihrer Beendigung naht die pg>eit der Hrühlingshofsnung auf ein neues fruchtbares Hahr. Vor St. Vitus h5. huni) muß der Kohl gebaut sein, falls er geraten soll, denn vrtleol — sclllltlrol sagt der Niederdeutsche.
*) Ntüllenhoff, Ntonatsblatt. der Brandenburgia V, 5. zqs.