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Russlands Landwirtschaft und ländliche Siedlungen in der Transformation / Hans Viehrig
Entstehung
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tungen besuchen, deren Rückgang auf dem Lande stärker als in den Städten erfolgte (OVCINCEVA 2001, S. 1313 f.). Auf dem Lande besuchten 2001 nur noch 38% der Kinder im Vorschulalter eine dieser Einrichtungen(SELSKOE CHOZJAJSTVO v Rossıl 2002, S. 145). Die Gründe dafür liegen einerseits in der Verminderung der Angebote in den Dörfern, andererseits aber auch im Rückgang der Nachfrage aus finanziellen Gründen.

Auch die Grundschulen(bis 8. Klasse) und die Mittelschulen(bis 10. Klasse), beide Schultypen für die Hauptsiedlungen der Landgemeinden charakteristisch, erfuhren beson­ders bei den Grundschulen eine Verminderung. Als Gründe gelten der Rückgang der Schülerzahlen, aber auch Effekte der Gemeindegebietsreform. Die Lehrer gehören in der Regel zu den schlechtestbezahlten Berufsgruppen im Lande. Viele Landschulen entbeh­ren seit jeher elementarer kommunaltechnischer Anlagen(Trinkwasseranschluss, Kanali­sation, teilweise nicht moderne Heizung) und benötigen eine Generalsanierung (OVCINCEVA 2001, S. 1315).

Gesundheitswesen

Für die ländlichen Siedlungen in Russland sind in der Regel in den größeren Dörfern ländliche Arzthelfer- und Geburtshilfestellen, in Hauptsiedlungen auch Arztambulatorien, im Einzelfall verbunden mit kleinen Krankenbettenhäusern, charakteristisch. In den Rayon-(Kreis-) Zentren befinden sich Kreiskrankenhäuser. Die ländlichen kleinen Sied­lungen sind besonders betroffen vom Rückgang der Arzthelfer- und Geburtshilfestellen, die die primäre medizinische Versorgung für die Landbevölkerung leisten. Viele dieser Einrichtungen, für die seitens der Kommunen auch nur unzureichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, sind zur verkürzten Arbeitswoche übergegangen bzw. funktionieren nicht, da Fachkräfte fehlen(OVCINCEVA 2001, S. 1316). Die Ausstattung mit medizini­schem Gerät und Arzneimitteln ist gleichfalls meist unzureichend. Die Dorfbewohner, deren finanzielles Einkommen meist unter dem Existenzminimum liegt, sehen sich immer weniger in der Lage, Arzneimittelkäufe zu tätigen bzw. bei der Verteuerung der Fahrpreise in öffentlichen Verkehrsmitteln Dienstleistungen von Kreiskrankenhäusern und Apotheken in den Städten wahrzunehmen(RUDZKkI 1999, OVCINCEVA, ebenda, S. 1316).

Einzelhandel und Alltagsdienstleistungen

Bei Befragungen der Landbevölkerung wird insgesamt immer wieder geäußert, dass im Rahmen der Transformation hinsichtlich des Warenangebotes(nicht der Preisgestaltung) und des Zugangs zu diesem deutliche Verbesserungen zu verzeichnen sind(zuletzt KOZLOV 2004, S. 71). Die Privatisierung des Einzelhandels nach 1992 hat auch auf dem Lande zu einer Diversifizierung der Angebotsstruktur nach Handelseinrichtungen und Warensortimenten geführt. Die Einrichtungen reichen heute von traditionellen Landwaren­häusern der sowjetischen Periode(heute in Privathand) bis zu einfachen Kiosken und Verkaufszelten an Kreuzungspunkten von Straßen und zu mobilen Handelsträgern. Der extreme Rückgang der Kaufkraft der Dorfbevölkerung hat aber auch zu starker Verrin­gerung der Nachfrage geführt. Im Nahrungsmittelsektor ist die Bevölkerung stärker als zuvor auf den Ertrag der eigenen Bodenparzellen(LPH) orientiert und der Ankauf von Industriewaren wurde auf das Notwendigste reduziert. Die Wochenmärkte(Basare) in den Kleinzentren haben nach wie vor für die Landbevölkerung ihre Bedeutung bewahren können.

Der schon in der Vergangenheit in den ländlichen Siedlungen nur schwach entwickelte

Dienstleistungssektor für den Alltagsbedarf(Reparaturen von Haushaltsgeräten, Schuhen und Bekleidung u. a.) wanderte zunehmend in den privaten informellen Sektor ab(OvCIN­

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