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Russlands Landwirtschaft und ländliche Siedlungen in der Transformation / Hans Viehrig
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CEVA 2001, S. 1319), was oft auch eine Verminderung in der Leistungsqualität bedeutet. Vor allem in den peripheren Räumen mit vielen Kleinsiedlungen spielt der mobile Handel eine wichtige Rolle.

5.5 Erreichbarkeitsverhältnisse der Kreis(Rayon)-Zentren und die räumliche Mobilität der Landbevölkerung

Die außerordentlich verschiedenen naturgeographischen Bedingungen, die niedrige Dichte des Siedlungs- und Straßennetzes und der Entwicklungsstand der regionalen Verkehrssysteme sind neben den ökonomischen und sozialen Verhältnissen in den Regionen nur einige der Variablen, die die räumlichen Bewegungsfelder der Landbe­völkerung eingrenzen.

5.5.1 Anbindungsverhältnisse und individuelle Motorisierung

Unter den techno-infrastrukturellen Faktoren für den Verkehr zu den Rayonzentren kommt der Anbindungsqualität der ländlichen Siedlungen an das übergeordnete Straßennetz besondere Bedeutung zu. Bis in die 80er Jahre war in der früheren Sowjetunion der Ausbau des Straßennetzes extrem vernachlässigt worden, erst mit dem spürbaren Auf­kommen des Individualverkehrs wurden die Investitionen in diesem Sektor verstärkt. Allerdings konzentrieren sich Wachstum und Erhaltung vor allem auf das übergeordnete Fernstraßennetz, weit geringer auf das für die ländlichen Siedlungen wichtige Netz der Landstraßen. Immerhin wuchs die Dichte des Straßennetzes mit fester Fahrbahndecke in Russland von 1990 23 km/1000 km? Fläche auf 2002 32 km an, dabei überdurchschnitt­lich in der Zentralregion(Moskau), in der Wolgaregion und im Ural(vgl. ROSS. STATIST. EZEGODNIK 2002, Tab. 17.29). Geblieben ist aber bis zur Gegenwart eine große Rück­ständigkeit im Entwicklungsstand des Straßennetzes, die die marktwirtschaftlichen Trans­formationsprozesse auch auf dem Lande behindert.

Der Anteil der ländlichen Siedlungen(naselennye punkty) Russlands ohne einem An­schluss an das Straßennetz mit fester Fahrbahndecke hat sich zwischen 1995 und 2001 kaum verändert. Er verharrte bei knapp 34 Prozent(ebenda, Tab. 7.46, S. 202). Von den über 142 000 ländlichen Siedlungen ist damit zeitweilig ein großer Teil bei Witterungs­unbilden(Frühjahr/Schneeschmelze) nur unter Schwierigkeiten mit Kraftfahrzeugen zu erreichen.

Im Jahrzehnt 1990-2000 erwuchsen der Landbevölkerung größere Mobilitätschancen durch wachsende individuelle Verfügbarkeit über Kraftfahrzeuge. Noch 1980 betrug in Russland der Pkw-Besatz je 1000 Einwohner nur 30 Pkw, stieg unter der Präsidentschaft Gorbatschows bis 1990 auf 59, um im Rahmen der Transformation bis 2001 auf 139 Pkw zu wachsen(ROSSIJSK. STATIST. EZEGODNIK. 2002, S. 194). Jedoch bedeutet dies nur ein Drittel der Besatzwerte in westeuropäischen Industrieländern. Verfügten 1991 nur 14 Prozent der russländischen Haushalte über einen Pkw, so waren es 2001 immerhin schon 27 Prozent(ebenda). Allerdings konzentriert sich bis zur Gegenwart der Pkw-Besitz vor allem auf städtische Haushalte, weniger auf ländliche. Nach Untersuchungs­ergebnissen zur sozialen Infrastruktur im Raum St. Petersburg besaßen dort unter den befragten ländlichen Haushalten 21% einen Pkw(OVCINCEVA 2001, S. 1317), im Raum Woronesh(Zentrale Schwarzerde-Region) zur gleichen Zeit 36% der befragten ländlichen Haushalte(POROSENKOV/ DIDENKO 2000, S. 21). In einem äußerst peripher gelegenen ländlichen Ort Zentraljakutiens(600 Ew.) verfügten 1996 7% der Haushalte über einen Pkw, aber 33% über ein Motorrad(BYCHKOVA-JORDAN 1998, S. 228). Da in den meisten Kreisen die Subventionen für den kommunalen bzw. privatisierten

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