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Russlands Landwirtschaft und ländliche Siedlungen in der Transformation / Hans Viehrig
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Ackerbau(Futtergerste) betrieben werden kann(frostfrei hier 110 Tage/Jahr), erlauben die lokal-klimatischen Bedingungen im 1700 m hochgelegenen Steppenbecken der Tschuja(Kosch Agatsch, hier frostfrei nur 45 Tage, 120 mm Jahresniederschlag) fast ausschließlich nur eine Weidenutzung(ebenda, Tab. 4). Hochgebirgsnatur, Bewaldung und teilweise Semiaridität der Beckenlagen schränken die Inanspruchnahme der Flächen durch die Landwirtschaft ein. Nur 12-14% der Gesamtfläche der Republik können landwirtschaftlich genutzt werden.

In der Republik Tywa(Tuwa) herrschen ähnliche agrarökologische Verhältnisse. Um­grenzt vom Hochaltai, Westsajan, dem Ostsajanischen Bergland und dem Gebirgszug des Tannu Ola(2800/3000 m) im Süden, umfasst das große Steppenbecken von Tywa (Tuwa)(500-1000 m Höhe) auch eine Fläche von nahezu 70 000 km? und stellt damit das größte intramontane Becken zwischen Altai und Baikalien dar. Die das Becken umgeben­den Hochgebirgszüge verleihen dem Becken eine ausgesprochen Leelage zu zyklonalen Strömungen und als Folge semiaride Verhältnisse. Im Tywabecken werden Jahres­summen des Niederschlags von 180-300 mm gemessen, wobei 65/85% des Nieder­schlags in der Sommerperiode(besonders Juli/August) fallen(GVOSDECKIJ/ MICHAJLOV 1970, S. 351). Die winterliche Schneedecke besitzt nur 10/30 cm Mächtigkeit. Die Julitemperaturen erreichen 19/20°C mit einem Maximum von> 40°Celsius. Den klimati­schen Verhältnissen entspricht in der Regel eine Kurzgras-Trockensteppe auf meist kastanienfarbenen, teilweise auch schwarzerdeähnlichen Böden. Ihre Vegetation weist schon Elemente mongolischer Steppen auf. In der Höhe von 1000-1100 m der Rand­gebirge wird die Steppe von parkähnlichem Lärchenwald abgelöst. Einer Schätzung von GVOSDECKIJ/MICHAJLOV(ebenda, S. 358) zufolge, kann nur mehr als ein Drittel der Landesfläche(meist nur die Steppenbecken) als Weideland genutzt werden. Für die Heumahd eignen sich besonders niedrige Flussterrassen mit Auenwiesen. Eine acker­bauliche Nutzung stößt auf agrarökologische und auch wirtschaftliche Grenzen. Das stärker reliefierte Tywabecken gehört auch zu den Gebieten intensiver Bodenerosion (VERETENNIKOVA et al. 1997, S. 31).

Reformprozesse und Strukturwandel der Landwirtschaft

Der Wandel in den Eigentums- und betriebsstrukturellen Verhältnissen der Landwirtschaft verlief bisher in beiden Republiken sehr widersprüchlich. Wie in anderen Regionen erfolg­te in den Nachfolgebetrieben der Kolchose/Sowchose eine Zertifizierung von Eigentums­titeln, Jedoch behielten die Großbetriebe nach wie vor Verfügungsrechte(property rights) auf große Teile des Agrarlandes. In Tywa(Tuwa) konnte nach dem Stand von 1995 Bo­den auch in Pacht oder als lebenslanger, vererbbarer Besitz an Individuen oder Kollektive übertragen werden(PENTER 1997, S. 669). Die Etablierung von Fermerbetrieben blieb allerdings in Ansätzen stecken. Nach RUupDz«(1999, S. 35) gab es im Altai 1998 1126 privatbäuerliche Betriebe, die 15 600 ha(meist Weideland) bewirtschafteten. Die Groß­betriebe haben sich weitgehend auf Grund des enormen Anstiegs der Faktorkosten aus der Produktion zurückgezogen, verfügen aber über den Großteil der Flächen. Dieser Vorgang erfolgte schon weitgehend zwischen 1989/90 und 1993(vgl. Tab. 6.4.1-2).

Tab. 6.4.1-2: Verteilung der Agrarproduktion auf die betrieblichen Grundtypen in den Republiken Altai und Tywa(Tuwa) 1993 und 2002(in%)

Quelle: Nach RossiwuySkıy STATISTICESKIJ EZEGODNIK 2003, S. 404 f.

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