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Russlands Landwirtschaft und ländliche Siedlungen in der Transformation / Hans Viehrig
Entstehung
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Die Großbetriebe

Es war zu beobachten, dass viele der neu gebildeten Großbetriebe(meist in Form von Kollektivwirtschaften/ Produktionskooperativen) größte Schwierigkeiten hatten, sich am Markt zu behaupten bzw. einen neuen Marktzugang zu finden. Tiefere Einsicht in die Entwicklungsprobleme einer Produktionskooperative ermöglicht eine humangeographi­sche Studie des Dorfes Djarchan/Kreis Suntar(BYCHKOVA-JORDAN et al. 1998).

In Djarchan(600 Ew.) hatten sich nach Auflösung des Sowchos Toybochoy(6 Dörfer) bis 1994 135 Dorf­bewohner in einer Produktionskooperative zusammengeschlossen, die zugleich den größten Teil der Flächen und Betriebsmittel der ehemaligen dörflichen Sowchosabteilung auf sich vereinte(ebenda, S. 224). Der Betrieb versuchte, die traditionelle Milch-/Fleischwirtschaft beizubehalten. Gegenüber der Sowjetzeit gingen die Subventionszahlungen für eine kommerzielle Milchproduktion auf ein Minimum zurück. Eine neue Molkerei im Krestjach musste schließen und so erlosch die Hoffnung auf einen erfolgreichen Milchabsatz(ebenda, S. 225). Zugleich überstiegen die niedrigen Marktpreise für importiertes Rindfleisch in Jakutien die Selbstkosten für die Eigenproduktion bei weitem, so dass damit auch diese Marktchance verloren ging. Schließlich suchte die Kooperative ihr Marktprofil im Absatz von Pferdefleisch zu finden, das jedoch nur unter Jakuten und hier in Suntar nachgefragt war. Im Diamantenzentrum Mirny gab es dafür kein Interesse. Letztlich zwang die hohe Verschuldung die Kooperative 1997 zur Aufgabe.

Die privatbäuerlichen Fermerbetriebe

Das erklärte Ziel der Gründung von Fermerbetrieben war die Entwicklung einer Marktproduktion für den Absatz in lokalen Märkten. Zu diesem Zweck erhielten

die Fermer anfangs größere Heuschläge, staatliche Subventionen und eine Steuerfreiheit von 5 Jahren. Aber nach Ablauf von 10 Jahren bäuerlicher Existenz war in Elgjai zu beob­achten, dass sie in der Regel nur für den Eigenbedarf bzw. ihrer Verwandten produzierten (CRATE 2003, S. 878). Gegen einen höheren Marktanteil sprach die wirtschaftliche Situa­tion der Dorfbevölkerung. Diese erzeugten Milch und Fleisch entweder auf dem eigenen Hof oder im Austausch mit Verwandten. Geld für den Ankauf von Agrarprodukten der Fermer ist nur gering vorhanden. Nur 4 von 24 in Elgjai registrierten Fermern besaßen Verträge über die Belieferung des örtlichen Krankenhauses, der Kindertagesstätten und des Altersheimes(ebenda). Einem Fermer(von 2) im kleineren Dorf Djarchan war es möglich, über Barter Fleisch im 90 km entfernten Suntar abzusetzen(BYCHKOVA-JORDAN et al. 1998, S. 225). Die schwierige Lage der privatbäuerlichen Betriebe in ganz Jakutien wird durch ihren seit 1993 stets sinkenden Produktionsanteil(Betriebsaufgaben) unter­strichen(vgl. Tab. 6.4.3-2).

Die Hauswirtschaften

In ganz Jakutien sind die Hauswirtschaften der Land- und Stadtbevölkerung mit> 70% des Agrarprodukts zum wichtigsten Sektor der Landwirtschaft geworden. Auf sie entfielen 2002 72% der Rinderhaltung, 60% der Schweinezucht und über 50% der Pferdehaltung der Republik(SELSKOE CHOZJAJSTVO v Rossıl 2002, S. 310, 313). Auch der Gemüse­und Kartoffelanbau konzentriert sich auf diesen Bereich. In der zentraljakutischen Wiljui­region gilt seit jeher der Besitz an Milchvieh, Pferden und Heuwiesen als Maßstab für die Lebensverhältnisse eines Haushalts. Der Zugang zu ertragssicheren Heuwiesen, die als Futterbasis für die Überwinterung(9 Monate) des Milchviehbestandes dienen müssen, ist für die Hauswirtschaften eine existentielle Frage. Die meisten dörflichen Haushalte verfü­gen über mehrere Rinder, beispielsweise im Dorf Djarchan 4 bis 5 Tiere je Haushalt(nach BYCHKOVA-JORDAN 1998, S. 227). In der 9000-Einwohner-Siedlung Suntar besaßen

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