jedoch nur 10% der Haushalte Milchvieh und sind dabei meist auf die Nutzung von Heuwiesen der Verwandtschaft in nahegelegenen Siedlungen angewiesen(CRATE 2003, S. 874). Gegenüber der Großsiedlung Suntar ist in der Siedlungskategorie der Dörfer zwischen 1000 und 3000 Einwohnern die Versorgungslage mit Grünland je Haushalt schon günstiger. Nach CRATE(2003) haben hier die Haushalte in ihrem Untersuchungsgebiet Elgjaj 1,5-2 ha Heuwiesen bzw. Naturweiden erhalten. Dennoch besaßen in der Großsiedlung Elgjaj selbst um 30% der Haushalte keinen Zugang zu Futterflächen, meist Zugezogene aus anderen Dörfern. Die Hälfte der Haushalte war überdies darauf angewiesen, ihre Futtervorräte jeweils jährlich durch Dargebote von ertragsgünstigeren Heuflächen der Verwandtschaft in anderen Dörfern zu ergänzen. So spielen die sozialen Netzwerke zwischen den Großfamilien und weiteren Verwandten für die Aufrechterhaltung des dürftigen Lebensniveaus der Landbevölkerung eine wichtige Rolle.
Die Zukunft der peripheren ländlichen Siedlungen in Zentraljakutien
In Zusammenhang mit den Transformationsprozessen in Wirtschaft und Gesellschaft Jakutiens kam es in den 90er Jahren zur administrativen„Auflösung“ von 133 meist kleineren Ortschaften, die vorher raumplanerisch als„nichtperspektivisch“ eingeordnet worden waren(GÖLER 2003, S. 31). Auf ganz Jakutien bezogen, heißt das, dass jede fünfte Siedlung davon betroffen war. Für diese Orte bedeutet der Regierungsbeschluss zunächst lediglich, dass sie nicht mehr als förderwürdiges Verwaltungssubjekt gelten, aber ihre weitere Existenz als Siedlung zunächst nicht in Frage steht. Aber damit erlischt jede weitere Art von staatlicher Förderung für die Kommunen. Die genannten Maßnahmen reflektieren die spontan abgelaufenen Verluste von wirtschaftlicher Tragfähigkeit und die teilweise großen Bevölkerungsverluste bis hin zu Wüstungserscheinungen im Siedlungsbestand. Nicht nur im Hohen Norden Jakutiens ist dieses Phänomen zu erkennen, sondern auch Siedlungen in Zentral- und Südjakutien sind davon betroffen(vgl. ebenda, Abb. 4). Auch im Kreis Suntar erfolgte 1998/2000 für 6 ländliche Siedlungen diese Festlegung.
Insgesamt zeichnet sich für den Beobachter eine zunehmende Polarisierung der raumstrukturellen Entwicklung zwischen dem hauptstadtnahen Raum um Jakutsk und den entfernter gelegenen, peripheren Agrarräumen ab. Die Landwirtschaft im Umfeld der Hauptstadt ist spezialisiert auf den Gemüse- und Kartoffelanbau sowie die Schweine- und Geflügelhaltung und besitzt Zugang zum Markt der Großstadt(MAKAROV/ VENZKE 2003, S. 26). Agrar- und finanzpolitisch erfahren die kommerziell arbeitenden Betriebe dieses Gebietes auch prioritäre staatliche Unterstützung(BYCHKOVA-JORDAN et al., 1998, S. 229). Im Gegensatz dazu verfügt die räumliche periphere Landwirtschaft(darunter die am mittleren Wiljui) über nur sehr begrenzten Zugang zu den Märkten, wenig Entwicklungsmöglichkeiten unter marktwirtschaftlichen Bedingungen und trägt heute meist mit wenigen Ausnahmen nur noch Subsistenzcharakter.
Die Frage nach den strukturellen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsperspektiven steht vor vielen ländlichen Siedlungen auch Zentraljakutiens, vor allem für die in räumlich isolierter Lage wie die der Ortschaft Djarchan(Krs. Suntar).
Die gesamte Ortschaft(600 Ew.) hatte ihre wirtschaftliche Grundlage schon bis 1998 weitgehend eingebüßt(vgl. Entwicklung der Produktionskooperative, oben). Die subsistenzorientierten Hauswirtschaften der Dorfbewohner waren fast allein verblieben. Allerdings arbeiteten 1997 114 Einwohner(18% der Ortsbevölkerung) in einer größeren Mittelschule und in sozialen Diensten für die Einwohnerschaft(BYCHKOVA-JORDAN et al. 1998, S. 227). Von den 635 Einwohnern(1997) erhielten 170 Renten und andere Unterstützungen. Damit waren insgesamt 284 Einwohner(44%) von staatlichen Transferzahlungen in ihrer monetären Existenz weitgehend abhängig(ebenda, S. 227). Nachdem bis 1994 die Einwohnerzahl noch von 1991 671 auf 1993 721 gewachsen war, veränderte
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