Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1912) Die Volkskunde / von Robert Mielke [u.a.]
Entstehung
Seite
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Sandwerksleben.

Solange das Handwerk eine Tätigkeit von sozialer und ethischer Bedeutung war und durch einen behördlichen Akt erst zu einer rechtlichen Einrichtung wurde, so lange hat es auch mit peinlichster Gewissenhaftigkeit Sorge getragen, seine eigenen Reihen vor jedem Eindringen unsozialerer Elemente zu verschließen. Selbst das Aurückweise» wendischer Bevölkerung, das hier und dort einmal vorkam, hat seinen Ursprung weniger in der, wohl selten noch nachweisbaren Abkunft von einem Ulenden als in dem Mdium der Unfreiheit, der solange auf dieser Bevölkerungsschicht gelastet hat. Und wo diese, meist auf dem Lande sitzenden Elemente zu einem Handwerk griffen, da konnten sie leicht das ganze Gewerk in den Geruch der Unehrlichkeit bringen, wie es bei den Leinwebern, Müllern und einigen anderen abhängigen Zünften der Fall war. Auf der anderen Seite ergibt diese sorgfältige Schichtung des zum Handwerke Strömenden jenen Handwerker­stolz, der in dem Aufblühen der Zünfte nach politischem Einflüsse strebte, in späterer Zeit aber zu einer leblosen Fessel für die Entwicklung erstarrte. Besonders nach dem Dreißigjährigen Uriege, der in Deutschland wie eine Riesenbrache gewirkt hatte, sproßte und keimte es überall auf dem gewerblichen Gebiete; da wuchsen auch in Brandenburg neue Zünfte und Innungen, die sich von den älteren lösten und eigene Verfassungen er­strebten. Aber ihnen fehlte der impulsive Eigenwille der früheren, der Handwerker und Bürger gleichsetzte, der jede Form als prägnanten Ausdruck eines sittlichen Grundsatzes ansah; in dieser späteren Zeit, die in ihren Wirkungen bis an das Ende des vorigen Jahrhunderts hineinreichte, wurde die Form zu einer Maske, um die innere wirtschaftliche Schwäche zu verdecken. Sie war nicht mehr der Ausdruck lebenspendender Uräfte, sondern die Losung einer gemeinsamen Abwehr der Uonkurrenz, und entwickelte daraus eine Gleichheit der Gesinnung, die sich am wahrnehmbarsten in den Handwerksgebräuchen äußerte. 5o entstand ein Kodex handwerklicher Umgangsformen, der jedem einzelnen je nach Stand und Gewerk vorschrieb, wie er den Meister und die Gesellen anzureden, wie er zu grüßen, sich zu kleiden und zu bewegen hätte, wenn er aus der Werkstatt in die Öffentlichkeit hinaustrat.

Die Zunft. Der einzelne Handwerker trug den Stolz über sein Gewerk ebenso zur Schau, wie ihn die Innung durch einen festen Komment auf die Besonderheiten seines Faches hinwies. Daß die Aufnahme in das Gewerk und die Lossprechung zum Gesellen nicht leicht und dann auch möglichst, feierlich gemacht wurde, haben wir bereits gesehen. In Wittenberge überreicht man z. B. dem ausgelernten Müller einen Stab mit Knochen- kopf. Der junge Geselle sollte aber auch auf der Wanderschaft die Ehre des Hand­werks Hochhalten. Darum war ihm ein fester Bestand konventioneller Formen mit auf den Weg gegeben, die er überall anzuwenden hatte, und die ihm die Türen der Berufs­genossen öffneten.Ein Sträußchen am Hute, den Stab in der Hand" und ein Ränzel (Berliner, Felleisen usw.) auf dem Rücken, zog er heiteren Sinnes mit den Genossen auf der Landstraße dahin. Kam er zum Torschreiber einer Stadt, und hatte er sich hier ausgewiesen, dann ging er zur Gewerksherberge und bat denHerrn Vater" (den Herbergswirt) undFrau Mutter" mit einer geziemenden Ansprache um Quartier.