Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1912) Die Volkskunde / von Robert Mielke [u.a.]
Entstehung
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Aus -er Gewerkslade erhielt er dies und Verpflegung und, falls er im Grte keine Arbeit gefunden hatte, auch ein kleines Zehrgeld für die Weiterreise. Die feierliche AnredeMit Gunst" kehrte reichlich wieder in den Anreden bei den Meistern und in der Morgensprache. Gs gehörte eine große Abung dazu, die formen genau zu wissen, deren ungenaue Anwendung leicht zu einem peinlichen verhör führte. Noch in den sechziger Zähren des ich. Jahrhunderts war diese Gepflogenheit in den märkischen Städten am Leben?)

Gin Ausdruck dieses Handwerkerstolzes ist die Gepflogenheit, die Verkaufsstelle durch mancherlei Wahrzeichen kenntlich zu machen. Wenn die Sitte in ihren Anfängen auch für ein des Lesens nur ungenügend kundiges Publikum berechnet war, so hat sie doch eine reizvolle Ausbildung erfahren, der man den Stolz des Handwerkers noch heute ansieht. Daß der Schlosser einen kunstvollen Schlüssel, der Wagenbauer einen kleinen Wagen zur Anschauung bringt, liegt nahe wie der Brauch, die Gewerksherbergen und Stuben durch ähnliche Wahrzeichen kenntlich zu machen. Schwerer ist schon die goldene Kugel der Kolonialwarenhändler zu deuten, die vor fünf Jahr­zehnten in Berlin und in der Mark noch gang und gäbe war. Der Stuhl mit der übergehängten weißen Schürze als Zeichen der feilgebotenen frischen Wurst, das Becken der Barbiere, das in den Perleberger Ratsprotokollen bereits ( 5 Y 8 als Wahr­zeichen eines obrigkeitlich gestatteten Betriebes erwähnt wird, sind leichter zu erklären, während ein Strauß oder ein Stern für den Ausschank von Bier oder Wein aus Süddeutschland über­tragen sind. In der Perleberger Bürgersatzung wird auch ver­langt, daß jeder Brauer,so Bier feil hat und mit dem Becher ausmessen oder sonsten verkaufen will, soll ein klein weiß Brotlein aushangen, damit man weiß, ob Bier für den gemeinen Mann vorhanden oder nicht"?) Gin Lübbenauer hat dies durch eine Schrifttafel mit dem Stadtwappen kenntlich gemacht (Abb. (Oft).

Gs ist ein äußerlich behagliches Gmpfinden, das in den Gebräuchen des Hand­werks zum Ausdruck kommt, soweit es als Innung organisiert war. Das Schlimme dieser Entwicklung lag darin, daß man die Formen selbst von anderen Ginrichtungen holte und sie ohne Rücksicht auf ihren Zweck ausnutzte. Was einstmals eine Prüfung des Gharakters war, wurde zur Schikane mit der Nebenabsicht, möglichst viel Gebühren für den Trunk aus dem einzelnen Anwärter herauszupressen. Gs wurde von dem Großen Kurfürsten schon 1 , 67 ^ gerügt, daß einzelne Gewerke, wie die der Tischler und Töpfer, die Manieren eines christlichen Taufaktes nachahmten, wenn sie einen Lehrling zum Gesellen sprachen. And wenige Jahre später wurden, wie es im Reiche bereits seit zwei Jahrhunderten wiederholt bekämpft wurde, auch in Brandenburg diealtväterischen" und abergläubischen Zeremonien bei der Gewerkslade verboten. Geholfen hat es wahr-

') Einen genauen Bericht über diese kscmdwerksbräuche bei der Innung der Teinenweber in Treuenbrietzen hat G. Steinhardt in dem Monatsblatt der Brandenburgia XIV, ,90s, S. ,79 ff. veröffentlicht. Einen ähnlichen R. Scharnweber über die Gebräuche der kuckauer Maurer-Innung an demselben Vrt <909, S. 96.

-) Vogel, Perleberger Geschichten V, S. s, (nicht im Buchhandel).

Abb. 109. Bierzeichen.