Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1912) Die Volkskunde / von Robert Mielke [u.a.]
Entstehung
Seite
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beim Erntefest der Altknecht oder die Großmagd die Erntekrone der Herrschaft mit einer poetischen Ansprache überreicht, so ist's beim Neubau der polier, der die gereimte An­sprache hält. Da aber heute der eigentliche Bauherr nur noch in loser Verbindung mit dem Bau steht, so ist die Feier vielfach zu einem Trinkfest geworden, dessen Rosten der Bauunternehmer trägt. Noch aber wird die Richtkrone auf dem Dachstuhl aufgerichtet, noch findet in kleineren Orten eine größere Feier mit den alten Segenssprüchen statt. Bei der Richtfeier der Raiser-Friedrich-Gedächtniskirche in Berlin erwachte sie sogar zu einem würdevollen Festakt h, bei dem selbst der Pokal, aus dem der polier die einzelnen Wünsche für den Landesherrn, die Behörden und die beteiligten Berufsleute mit festen Zügen begleitete, von der Höhe herabgeschleudert wurde. Auch bei diesem Bau deutete man als ein kommendes Unglück, daß der Glaspokal trotz des großen Absturzes nicht zerschellte, wie es der Volksgebrauch verlangt. Wenn es auch keinem Zweifel unter­liegt, daß das Richtfest ursprünglich ebenfalls ein Opfer bedeutete, so ist mit der Zeit doch ein feiner Unterschied zwischen Bauopfer und Richtfest entstanden. Während das erstere eine Abwehr von Schadenwirkungen ist, schließt das Richtfest einen Segenswunsch für die Bewohner ein. Es ist darum nicht an das Ende der Bauarbeiten gesetzt, sondern kurz vorher, weil dann noch die Werkleute eine Aeitlang am Bau tätig sind. Die Be­wohner können dann später diese Wirkungen noch in ihrer Weise verstärken, sei es, daß sie zuerst ein Lebewesen in das Haus jagen, sei es, daß sie Salz und Brot auf den Ofen legen, sei es auch durch Inschriften und Symbole.

Der Hausfleiß.

Es gab eine Zeit auch in der Provinz Brandenburg, in der viele Arbeiten, die heute der Berufshandwerker übernimmt, im Hause verrichtet wurden. Auf dem Lande, auf dem die Eifersucht der städtischen Gewerbe früher eigentlich nur Leinweber, Schneider, Zimmerleute, Schmiede und Rademacher duldete, ohne sie damit aber auch zugleich als gleichberechtigt anzuerkennen, war es oft genug eine zwingende Notwendigkeit, in vielen Rünsten Meister zu sein. Indessen ist dies nur ein theoretischer Rückschluß aus der Natur der ländlichen Arbeit heraus und mit Berücksichtigung anderer deutscher Gebiete. Mit bestimmteren Formen und noch in unsere Zeit hineinreichend, hat dieser Hausfleiß sich nur so weit erhalten oder wenigstens Zeugnisse seiner früheren Existenz gegeben, wie er von der Frau übernommen wurde. Dabei kamen hauptsächlich Spinnen und Weben von Wolle und Flachs in Betracht. Das Spinnen der Wolle ist freilich jetzt wohl überall ver­schwunden, aber vor zwei Jahrzehnten konnte man einzelne Frauen noch bei der Arbeit sehen. Ein großer Teil der Warfröcke unserer Bauerntracht, die aus einem leinenen Aufzuge mit wollenem Einschläge bestanden, ist im Hause hergestellt worden.

Die Spinnstube. Am ineisten ist natürlich das Spinnen betrieben worden, nicht nur von den Frauen. Denn Leinwand, die von Rindern unter 7 Jahren gesponnen war, gab Hemden, die fest gegen Rüget und Stich waren. Auch die winterliche Nluße-

*) Beschrieben'mit Einschluß der gesprochenen Verse von L. Friede! in dem Monatsblatt der Brandenburgia lV, rsgs, 5. 2-^lff.