— 1-u -
Ist das Spinnstubenleben hier stark veräußerlicht, — Feiern, Essen, Trinken und Tanzen ist fast zur Hauptsache geworden, — so hat das eigenartig wendische Volkstum die Abende selbst recht poetisch gestaltet; denn die schwermütigen Melodien halten die in deutschen Gegenden zum Durchbruch kommende fröhliche Stimmung oft den ganzen Abend zurück. Ls wird selbst von Thorälen berichtet/) die die Mädchen anstimmten, wenn sich die Burschen gegen lO Uhr zurückgezogen hatten. Andererseits aber werden hier auch Vermummungen und andere harmlose Scherze angebracht, oder auch Rätsel, die mehr oder minder auf das Erraten des künftigen Bräutigams gerichtet sind?) Eine Spinnstubenleiterin — die Aantorka — sorgte für den glatten Verlauf. Darin aber standen deutsche und wendische Spinten sich gleich, daß sie bis vor einigen Jahren wenigstens in der Mehrzahl auf gute Sitte achteten. Nicht nur gefallene Mädchen wurden unweigerlich ausgeschlossen, sondern auch die Verführer. Es ist das um so mehr anzuerkennen, als aus den beiderseitigen Spinnstubenfreundschaften in der Regel Bünde fürs Leben sich entwickelten. Daß jeder Bursche „sein" Mädchen besucht, nur dieses nach Hause begleitet, ist ebenso selbstverständlich wie die Sicherheit, mit der jedes Mädchen auf seinen Schatz wartet. Die Spinnstuben besuchten sich auch gegenseitig. Die Stiftung der bunten „Wockenbinde", einer stulpenartigen Einschnürung der sonst lose hängenden Wocken, seitens des jungen Mannes bedeutete ja an und für sich schon eine Verpflichtung — im deutschen wie im wendischen Gebiete.
Die Gespinste wurden hauptsächlich von älteren Männern zu feineren oder gröberen Stoffen verwebt. Fast in jedem Hause befand sich früher ein Webstuhl, der nicht nur die häuslichen Bedürfnisse deckte, sondern der auch Erzeugnisse für den Verkauf lieferte. Freilich ist dadurch auch oft eine örtliche Leinwandindustrie entstanden, die besonders durch Friedrich den Großen unterstützt wurde. Sie ist in der Lausitz die Grundlage der heutigen Webeindustrie geworden, die in der Folge allerdings dem Lande den Rücken gekehrt hat.
Andere Bauskunst. Die Hauskunst ist in einer eigentümlichen Zwickmühle. Entweder ging oder geht sie unter, weil sie gegen den Wettbewerb der Industrie nicht aufkommen kann, oder sie wird selbst zur Industrie und verschüttet ihren hauskünstlerischen Beginn. Nur wenige Gebrauchsgegenstände wie Besen, Holzpantinen und Mangelbretter (Abb. l > 2) werden noch vereinzelt nn Hause gemacht; Harken, Dreschflegel, Aörbe aus Weidenruten oder aus Aiefernrvurzeln und anderes werden durch den Handel bezogen; allenfalls werden noch Netze gestrickt,
Reusen geflochten oder wollarbeiten in geringer Menge ^bb. ns. Mangelbrett, angefertigt. Solange die Schafzucht noch bestand, gehörte
der strickende Schäfer zur Landschaftsstaffage; heute gehört auch er der Vergangenheit an. Eine Hausindustrie, die sich noch nicht vom Ackerbau abgewandt hat, ist in dem uckermärkischen Friedenswalde vorhanden, wo viele Einwohner einen Teil des Lebensunterhaltes aus dem Schnitzen von Aalithen oder Tabeln, das sind geschnitzte Schuhe aus Holz, gewinnen. Es ist diese Industrie das Aufflackern einer alten Haustechnik, die
') Müschner in Bär XV, 1889, S. 45 S.
') w. von Schulenburg in Niederlausitzer Mitteilungen III, 18IZ, S. 227 .