Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1912) Die Volkskunde / von Robert Mielke [u.a.]
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brannten die Leute alle noch Kien. An der Stubentüre stand der Rienklotz, der beste Platz, weil man gut sehen konnte, aber kein Mädchen traute sich darauf zu sitzen. Da mußte ein altes Weib darauf sitzen, mit dem aber wollten die Graben nichts zu tun haben, wenn sie in die Türe guckten. Mal flüchteten nachts zwei hübsche Mädchen vor zwei Graben in den Wald und kletterten aus Angst auf eine Eiche. Die Graben machten unter der Eiche halt, ohne sie zu sehen. Da hörten die Mädchen sie sprechen. Der erste:Was würdest du mit der Deinen machen?" Der andere:Ich tät ihr Riemen vom Rücken schneiden," nach anderen:Ihr Nägel unter die Fingernägel schlagen," oder:Sie im Ressel kochen." Dabei stach er mit einem Messer oder Spieß nach oben und traf das eine Mädchen am Bein, daß das Blut niederrann. Das Mädchen verhielt sich aber ganz ruhig. Da sprachen die Graben:Lolch warmer Tau fällt, es ist schon so früh," und liefen weg.

Die Lüchtermännchen.

Sumpfgeister sind die Lüchtamännekens, Lüchtamänndre, so genannt, weil sie eine Lüchte, eine Laterne tragen, oder Lichtermännchen; heßen auch Irrlichter, Irrw.sche. Sie haben sich früher oft gezeigt. Sie sind in den Sümpfen und kommen meist in den finsteren Nächten vor Weihnachten, kleine Männchen mit Laternen. Manchmal auch halten sie den Arm ausgestreckt und ein Licht in der Hand. Ein Bauer aus Hermsdorf sah ein Irrlicht, das hatte sehr lange Beine und bestand von Ropf zu Zehen aus glühendem Feuer. Man hat auch gesehen, daß sie Mannssüße hatten, eine kurze Hose und ein blaues Röckchen an und eine große Rappe auf. Auf dem Rock saß die Flamme. Es sind die Seelen ungetaufter Rinder, die im Grabe keine Ruhe haben, und die Geister von Bauern, die dem Nachbar Land abpflügten und geistern müssen. Man soll sie nicht verlachen und verhöhnen, nicht lästern oder schimpfen über sie, denn dann führen sie den Wanderer in später Nacht irre, immer tiefer in den Sumpf hinein. Beten hilft nichts, sie tanzen vor einem her und lachen einen noch aus, aber wenn man flucht, sind sie sofort verschwunden. Auf dem Lückenwäder hatten Lüchtermännder getanzt und näherten sich dann, am Wege nach Mietgendors, am Fuß der Glauer Berge, einer Rutsche, die vorbeifuhr und warfen mit Steinen und Rnüppeln danach, weil die Insassen über sie gelacht hatten. Ein Ruhhirte aus dem Dorfe Ferchesar bei Rathenow suchte in der Dunkelheit eine Ruh und setzte sich ermüdet auf einen Baumstumpf, um sich eine pfeife anzustecken. Da tanzten unzählige Lüchtermännchen um ihn herum und flogen ihm um den Ropf, daß er dachte, sie würden ihm die Haare versengen. Da schlug er mit seinem Stock gewaltig um sich, aber desto mehr kamen. Da griff er zu, einen zu Haschen, und hatte einen Rnochen in der Hand. Am anderen Abend aber sah er vom Fenster die ganze Dorfstraße voll von Lüchtermännchen. Die kämm dahergehüpft in großen Hausen und wirbelten durcheinander und riefen:Gibst du unfern Rameraden nicht heraus, so stecken wir dir's Haus an." Da nahm er den Rnochen in die flache Hand und hielt ihn zum Fenster hinaus. Sogleich war es ein hellslackerndes Lüchter­männchen und hüpfte davon, und all die anderen umringten es und sprangen lustig zum Dorfe hinaus.