— 231 —
er dich auf." Da wurde das arme Mädchen sehr traurig, so daß es der Alten zu Herzen ging, und sie sagte: „Arisch nur da in die Tonne. Dann will ich meinen Sohn fragen." Sie schlachtete einen Hahn und kochte ihn. Alsdann war ein gewaltiges Heulen und Brausen in der Luft, das kam immer näher und fuhr endlich in den Schornstein nieder. Das war der Wind, der kam zu Hause. Aaum in die Stube getreten, so sagte er: „Ich riech', ich rieche Menschenfleisch." „I, nicht doch, inein Söhnchen, ich habe einen Hahn gekocht." Aber der Wind blieb dabei, und endlich mußte ihm die Alte alles gestehen. Da dauerte das Mädchen den Riesen, und er ließ sie mitessen bei seinem Abendbrot und sagte ihr, die Hahnenknochen solle sie in ihr Tüchlein wickeln, denn sie würde sie brauchen. Ihre Brüder hatte er nicht gesehen, doch riet er ihr, sie solle zum Monde gehen und den fragen. Auch gab er ihr seine Siebenmeilenschuh. Wenn sie zum Monde käme, sollte sie die Schuh nur mit den Spitzen nach der Hütte des Windes stellen, dann kämen sie ganz von selbst zurück.
Die Aleine tat alles und kam zum Monde. In der Hütte saß eine alte Frau, das war dem Mond seine Mutter. Sie freute sich sehr, denn seit zwanzig Jahren hatte sie keinen Menschen gesehen. And nun ging alles genau ebenso wie im Hause beim Wind. Sie mußte die Hahnenknöchlein in ihr Tüchlein binden, der Mond, ein schlimmer und gewaltiger Riese, gab ihr seine Siebenmeilenschuh und schickte sie zur Sonne. In der Hütte bei der Sonne saß eine Alte und spann und freute sich über die Maßen, die Aleine zu sehen, denn sie hatte seit dreißig Jahren keinen Menschen gesehen. Und nun ging alles genau ebenso wie beim Mond. Der Riese, der Sohn der Alten, konnte ihr Auskunft über ihre Brüder geben. Die wohnten auf dem Glasberg, aber da könne sie nicht hinauf kommen, denn er sei sehr hoch. Sie solle sich eine Leiter bauen, und dazu wolle er ihr die Hahnenknochen geben, doch seien das nicht genug. Da sagte sie freudig, sie hätte schon solche vom Winde und vom Monde, und die würden wohl ausreichen. Darauf aß sie mit ihm, band die Anöchlein in ihr Tuch und nahm freudig von der Sonne Abschied, denn nun sollte sie ja ihre Brüder Wiedersehen. Wie die Aleine an den Glasberg kam, baute sie sich von den Anöchlein sogleich eine Leiter, nur die letzte Sprosse fehlte noch. Da wußte sie sich nicht anders zu helfen, als daß sie sich den kleinen Finger abschnitt. Den setzte sie als Sprosse ein und stieg nun froh auf den Glasberg hinauf. Da oben fand sie eine Hütte, in der war keine Seele, aber an den Wänden rund umher standen acht Betten, die waren aus Schwanenfedern gemacht, und da kroch sie in das Bett des jüngsten. Nicht lange danach hörte sie die Schwäne kommen, und bald traten ihre Brüder in Menschengestalt herein. Einer sagte: „Ich riech', ich rieche Menschenfleisch." Dann suchten sie und fanden die Aleine im Bett des Jüngsten. Da freuten sie sich sehr, ihr Schwesterchen wiederzusehen und sagten: „Du kannst uns erlösen, wenn du willst." Das war sie gerne willens. Acht Hemden in acht Jahren müsse sie machen, aber kein einziges Wort sprechen dabei. Sie bauten ihr auf einem recht krausen Baum eine Hütte, damit sie niemand sehen und sprechen könne, und brachten ihr reichlich Disteln und Dornen hinauf, daß sie damit die Hemden mache.
Lange hatte sie schon auf dem Baume gesessen, da traf es sich, daß der Aönig im Walde jagte und bei dem Baum vorbeikam. Die Hunde blieben stehen und bellten hinauf. Sie steckte gerade den Aopf aus der Hütte, da hieß sie der Aönig herunter-