Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1912) Die Volkskunde / von Robert Mielke [u.a.]
Entstehung
Seite
269
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In älteren Fassungen anderer Landschaften verlockt der unheimliche Bräutigam das Mädchen mit bestrickendem Gesänge. Aber die Einzelheiten auch dieser vollstän­digeren Lieder geben noch mehr Rätsel auf, als die schon menschlich vereinfachte mär­kische Fassung.

Mythische Dunkelheiten bleiben hinter uns, wenn wir der berühmten Ballade von den beiden Aönigskindern uns zuwenden, die ganz im rein Menschlichen wurzelt. Wasser- rauschen und Liebesnot geben ihr die Stimmung. Sie erscheint in der Mark freilich nicht in der prachtvollen Ausgestaltung wie in Westfalen und Vst-Friesland; gleich die vier Eingangsstrophen fehlen. Und doch bewährt sie auch in der kurzen märkischen Gestalt*) ihre packende Araft.

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See, wohl an die grü - ne See.

Ach Mutter, liebe Mutter,

Mein Kopf tut mir so weh!

Ich wollte gern spazieren Wohl an die grüne See."

Ach Tochter, liebe Tochter, Allein laß ich dich nicht gehn; Mit deinem ältsten Bruder Sollst du spazieren gehn."

Ach Mutter, liebe Mutter,

Mein Bruder ist ein Kind;

Der schießt mir alle vögelein,

Die in dem Walde sind."

Ach Tochter, liebste Tochter, Allein laß ich dich nicht gehn, Mit deiner jüngsten Schwester Sollst du spazieren gehn."

Ach Mutter, liebste Mutter, Meine Schwester ist ein Kind,

Die pflückt mir alle Blümelein, Die auf dem Felde sind."

Sie schlang sich um ihren Mantel Und ging wohl an die See,

Sie ging so lange spazieren,

Sie muß den Fischer sehn.

Ach Fischer, guter Fischer,

Willst du verdienen Lohn,

So greis mir aus den Wellen Linen reichen Königssohn."

Der Fischer warf behende,

Sein Netz wohl in den Strom;

Sieh da, du liebe Jungfer,

Hast einen Königssohn!"

Sie nahm ihn in ihre Arme,

Sie küßte seinen Mund:

Ach Schätzchen, könnt'st du reden,

So war' mein Herz gesund "

Was schwang sie von ihrem Halse? Line Kette von Golde rotl Sieh da, du armer Fischer,

Kauf deinen Kindern Brot."

Was zog sie von ihrem Finger?

Linen Ring von Golde rot!

Sieh da, du lieber Fischer,

Hast dein verdientes Lohn."

Sie schwang sich um ihren Mantel Und sank wohl in die See;

Gute Nacht, mein Vater und Mutter, Ihr seht mich nun nicht mehr!"

Da hört man Glöcklein läuten, Da hört man Jammer und Not, Hier liegen zwei Königskinder, Die sind alle beide tot.

i) Lrk-Böhme lrsL, zurückgehend auf Fr. H. Bothe.