Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1912) Die Volkskunde / von Robert Mielke [u.a.]
Entstehung
Seite
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1 - »Ach Joseph, liebster Joseph, was hast du denn gemacht?

Du hast die schöne Bertha Ins Unglück gebracht."

2.Ach Joseph, liebster Joseph,

Mit mir ist es bald aus;

Morgen werd ich geführt Zum Richtplatz hinaus."

3 »Ihr Freunde und Bekannten,

Bedauert meine Not!

Zeitlebens aus der Festung viellieber in den Tod!"

4 .Ach Schwestern und Bekannten,

Bedauert meine Not!

Traut nicht so viel den jungen Mannsleut'n, Daß ihr nicht kommt in solche Not!"

s. Der Richter kam gegangen,

Das Schwert in seiner Hand.

Lr macht der schönen Bertha Ihr Urteil bekannt.

6 .Ach Richter, liebster Richter, Richten Sie fein und geschwind; Denn ich will ja so gern sterben. Daß ich hinkomm' zu mein Kind!"

7 . Der Fähnrich kam gegangen, Schwingt die Fahne auf sie zu: Haltet ein mit der schönen Bertha, Ich bring' ihr Pardun!"

8 .Ach Joseph, lieber Joseph,

Die schöne Bertha ist schon tot. Gnade Gott der lieben Seele,

Daß sie kömmt zur ewigen Ruh."

Das Lied gab einst zwei recht verschiedenen Dichtern Veranlassung zu eigenen Schöpfungen: Schiller zu seiner rhetorischenAindesmörderin" und Brentano zu seiner ausgezeichneten Dorfgeschichte vom braven Aasperl und dem schöne» Anneri. Für seine Beliebtheit in der Mark zeugen häufige Aufzeichnungen, so aus Letschin, Rönnebeck bei Lindow, Gramzow?) Zahlreich sind auch die sonstigen deutschen Fassungen. Man wird von dem unbekannten Dichter des Liedes nicht gering denken dürfen. Lr hat alles in eine milde Menschlichkeit getaucht, zu der auch die Begnadigung gut stimmt; in dem an- reitenden Fähnrich wird ein Moment starker Spannung gewonnen, aber nun doch der banale gute Ausgang vermieden, mit dem einer Unglücklichen, die zu ihrem Ainde hinüber will, übel gedient wäre.

Das Gegenbild dieser Verlassenen, die eine unselige Tat des Augenblicks durch reine Mutterliebe sühnt, ist die rohe Mörderin, die zwei Ainder umgcbracht, ein drittes ausgesetzt hat und dennoch frech den Myrthenkranz der Zungfrauen trägt, bis der Satan sie in höllischem Tanze entführt. Diese Katastrophe wird in einen: in Tottbus aus­gezeichneten Liede (Liederhort Nr. 41) recht flott geschildert:

. . . so wollt ich, daß der Satan käm Und mir das grüne Kränzlein nähm!"

Kanin war das Wort aus ihrem Mund, Der Satan in der Türe stund,

Lr flog mit ihr zum Fenster hinaus,

Lr fuhr mit ihr über ein' Dornenstrauch.

V weh, o weh, mein' zarte Haut!

Hätt' ich mei'm Vater und Mutter getraut!

Lr griff sie bei ihrer schneeweißen Hand, Hätt' ich getraut dem Vater mein,

Lr tanzt mit ihr ein' höllischen Tanz. So dürft ich nicht verloren sein!"

Der Mutter, die ihr Neugeborenes tötet, steht die unmenschliche Stiefmutter naye, die ihr Stiefkind vergiftet. Gedankenlose Tradition hat hier und da aus der Stiefmutter widersinnig die Großmutter geinacht; von derGroßmutter Schlangenköchin" hörte der junge Brentano, der spätere Herausgeber des lVunderhorns, seine alte Amme singen.

H Lrks Nachlaß 2 »sss; 28s«s; 2Sz»i.