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1. Ls war einmal eine große Stadt, Darin ein reicher Junker war, Der hatte große Güter.
6. Die Mutter ging betrübt nach Haus Und zog die sieben Rinder aus;
Sie tät sie all' umbringen.
2. Morin ein arme Mitwe war, Die ihren Mann verloren hatt', Mit sieben kleinen Rindern.
7. Der Rnecht, der schaut zum Lenster nein Und bringt dem Herrn die Botschaft heim, von seinen armen Leuten.
3. Die Rinder schrien vor Hungersnot: „Ach liebe Mutter, schaff uns Brot! Mir müssen Hungers sterben."
s. „Ach Rnecht, ach Rnecht, satt'l mir mein Pferd Und wetze mir mein blankes Schwert,
Den Jammer anzuschauen I"
H. Sie nahm den Ressel wohl in die Hand Und ging damit dem Herrn zum Pfand, Er sollt ihr Rorn drauf geben.
9. Der Herr, der schaut zum Lenster nein, Er sah die armen Rindelein,
In ihrem Blute schwimmen.
3 . „Ja, wer das Rörnlein haben will, Der muß auch haben Taler viel,
Oie Taler müssen klingen I"
;o. Er ritt sogleich die Brück' entlang Und zog heraus sein Schwert so blank. Er tät sich selber »mbringen.
N. „Und wer das Rörnlein hat wie ich, Der teil den Armen auch was mit, Daß sie nicht Hungers sterben."
Die mitgeteilten Volksballaden mögen leicht den Eindruck hinterlassen, als sei es um die Erhaltung alter Volkslieder in der Mark um s850 noch vortrefflich bestellt gewesen. Reichen doch die meisten in das >6. Jahrhundert zurück, nur wenige in das 17. und l8. Gewiß darf man sich freuen, daß soviel altes Volksgut noch auffindbar war, aber mehrere Umstände mahnen doch, das Bfiaterial vorsichtig zu beurteilen. Einige Sammler bemerken auf ihren Einsendungen an Erk ausdrücklich, daß sie ihre Lieder von sehr alten Leuten haben; die reiche Spende aus lhohensaathen z. B. stammt fast ganz von einer achtzigjährigen Frau. Sicherlich haben sich die Sammler mit Absicht an die älteren Leute gewandt, weil sie eben bei der jüngeren Generation nur auf geringe Ausbeute hoffen durften. Auch so schon kamen z. B. bei dem Liede vom „Wassermann" in k)ohensaathen nur die beiden Anfangsstrophen zutage. Verwirrung der Texte haben wir bei den Liedern von den „Königskindern" und der „Jüdin", Zerstörung bis zur Unkenntlichkeit bei den „Ukordeltern" beobachtet. Zahlreiche kleinere Zerstörungen und törichte Kontaminationen haben hier nicht behandelt werden können. In gutem Zustande ist also das, was an altem Volksgute noch lebt, nicht immer?) Endlich aber zeigt ein Blick in gleichzeitige Sammlungen fliegender Blätter, wie sie vor allem von der Trowitzschen Druckerei um s850 noch zahlreich ausgingen, ein so abweichendes Bild, daß man den Gedanken nicht abweisen kann, Erks Gewährsmänner hätten auch absichtlich manches als nicht mitteilenswert übergangen. Die fliegenden Blätter drangen vielleicht nicht in jedes kleinste Dorf, aber über Berlin hinaus kamen sie sicher. Sie enthalten in weitem Umfange moderne Texte. Von Balladen ward etwa Bürgers „pfarrers- tochter von Taubenhain" oft gedruckt; bisweilen auch desselben Dichters „Lenore".
H Line ganz tolle Rontamination der „Rönigskinder" mit mehreren anderen Liedern, aus Lürstenwalde, verzeichnet John Meyer, Runstlieder im volksmunde, S. XLV.