Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1912) Die Volkskunde / von Robert Mielke [u.a.]
Entstehung
Seite
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Dem schlichten LiedeAch Joseph, lieber Joseph" droht in SchillersKindesmörderin" eine bedenkliche Konkurrenz; dem schon etwas bänkelsängerischen Liede,, Müllertücke" gesellt sich ein ganz böses Stück,Die Teufelsmühle". Sowohl mündlich als durch fliegende Blätter überliefert ist die Romanze vonRinaldo Rinaldini", die Goethes Schwager Thristian August Vulpius zum Verfasser hat und in dessen gleichnamigem Romane zuerst 1?98 erschienen war. Seit etwa 1800 sang man das Lied auf die Melodiepreisend mit viel schönen Reden", die nacheinander einer Bänkelsängerromanze der neunziger ^ahre des 18. Jahrhunderts, dann demRinaldo", dann Kerners Liede sich zugesellte, h Das Lied ist eine üble Probe der Vulgärromantik, voller unwahrer Sentimentalität.

In des Waldes finstern Gründen Und in Hölsten tief versteckt,

Ruht der Räuber allerkühnster,

Bis ihn seine Rosa weckt.

2.Rinaldini" ruft sie schmeichelnd, Rinaldini, wache auf,

Deine Leute sind schon munter,

Längst schon ging die Sonne auf."

Z. Und er öffnet seine Augen,

Lächelt ihr den Morgengruß,

Sie sinkt sanft in seine Arme Und erwidert seinen Ruß.

-0 Draußen bellen laut die Hunde,

Alles strömet hin und her.

Jeder rüstet sich zum Streite,

Ladet doppelt sein Gewehr.

5. Und der Hauptmann, schön gerüstet, Tritt nun mitten unter sie.

Guten Morgen, Kameraden,

Sagt, was gib's denn schon so früh?"

s.Unsre Feinde sind gerüstet, Ziehen gegen uns heran."

Nun wohlan, sie sollen sehen, Gb der Waldsohn fechten kann."

?.Laßt uns fallen oder siegen." Alle rufen:Wohl, es sei!"

Und es tönen Berg und Wälder, Rund herum vom Feldgeschrei.

8. Seht sie fechten, seht sie streiten! Jetzt verdoppelt sich ihr Mut. Aber ach, sie müssen weichen, Nur vergebens strömt ihr Blut.

y. Rinaldini, eingeschlossen,

Haut sich mutig kämpfend durch Und erreicht im finstern Walde, Lin alte Felsenburg.

;o. Zwischen hohen düstern Mauern, Lächelt ihm der Liebe Glück;

Ls erheitert seine Seele, Vianorens Zauberblick.

N. Rinaldini, lieber Räuber,

Raubst den Weibern Herz und Ruh. Ach, wie schrecklich in dem Kampfe, wie verliebt im Schloß bist du!

Lieder wie dieses soll man nicht übersehen und überhaupt das Bild des Volks­gesanges, wie es sich aus mündlicher Aufzeichnung ergab, nach den Drucken ergänzen. Und noch von anderer Seite her erfährt das aus Erks Aufzeichnringen gewonnene Bild des märkischen Volksgesanges um 1850 eine Korrektur. Aus den Erinnerungen einer sechzigjährigen Dame, die ihre Kindheit in Utzdorf (zwischen Bernau und Biesenthal) verlebte, hat Mar Bartels 1902Märkische Spinnstuben-Trinnerungen" veröffentlicht,'h die uns gut darüber unterrichten, welche Lieder unrs Jahr 1850 in der Utzdorfer Spinn-

9 Max Friedländer: Das deutsche Lied im ;8. Jahrhundert, 2izo. 9 Zeitschr. d. Der. für Volkskunde l2?,.