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Z. Grandeslieder.
Als im 18 , Jahrhundert wohlmeinende aber übel beratene und unhistorisch denkende Volksfreunde mit Bestrebungen hervortraten, die alten Volkslieder durch neue „Lieder fürs Volk" zu ersetzen, rief ein solcher Volkserzieher auch nach neuen Standesliedern: „Für jede Profession fast hätte ich gern eines, welches in dem Charakter des Unterscheidenden in jedem Handwerk, mit Kunstwörtern der Prosession tüchtig durchspickt, verfertigt wäre/") Von dem Bilde, das diesem Manne vorschwebte, ist das wirklich volksläufige Standeslied fast durchweg das Gegenteil, Keineswegs nämlich halten sich diese Lieder in solcher beruflichen Enge, daß ein Angehöriger anderer Stände sie nie singe» könnte; vielmehr heben sie auch aus dem Berufsleben das menschlich Bedeutsame heraus. Von den zahlreichen Iägerliedern kann man geradezu sagen, daß sie nur den Esprit dieses flotten Handwerkes auffangen, ohne mit irgendeiner Einzelheit sich zu beschweren. In den Handwerksburschenliedern erscheint das urmenschliche Thema vom Scheiden und Meiden nur mit einem leichten professionellen Einschlag, und so ist in den Soldatenliedern vom Heimweh die Rede, oder der Kontrast heißen Lebens und stillen Sterbens, tut sich auf. Es ist der Adelsbrief dieser Gattung, daß sie so geraden Schrittes auf das Ulenschliche ausgeht und nicht eine gereimte Spiegelung des Werkeltages für Poesie nimmt.
Eine reiche Gruppe bilden die S o l d at enl ie d e r. Viel gesungen ward in der Mark der Soldatenabschied: „Men bekümmert es, wenn ich wandre," von dem Aufzeichnungen aus Kieritz bei Neustadt a, d, Dosse H 842 ), Seelow bei Lüstrin H84H, Nauen, Dreetz und Hohensaathen vorliegen?) Die Fassung aus Dreetz, voll Adalbert Kuhn leider ohne Melodie an Erk gesandt, lautet:
1, Und wer bekümmert sich und wenn ich wandre. Zu einer schönen Kompagnie;
Ist's die eine nicht, so ist's die andere.
Und wer bekümmert sich und wenn ich wandere, Des Morgens früh in aller Still.
2. Li dann geb ich meinem Pferd die Sporen, In dem Tor reit ich hinaus,
Mein Feinsliebchen zu gefallen.
Sie ist die Schönste unter allen,
Dieweil ich von ihr scheiden muß.
z. Sie dreht sich um und um und weinte bitterlich, Denn der Abschied wird ihr schwer;
Ihre Äuglein die fließen Wasser,
Sie fließen in das Rote Meer.
4. Die dunkle Nacht die hat uns überfallen, Wir müssen bleiben in dem Wald.
Li, so wollen wir das Zelt aufschlagen,
Ja, so wollen wir das Zelt aufschlagen Wohl in dem grünen grünen Wald.
In Kieritz ward das Lied in der 4. Strophe init dem oben erwähnten Abschiedsliede „Nimm hin von den kalten Lippen, nimm den letzten Abschiedskuß" kontaminiert und in Seelow bei Tüstrin ist es anscheinend ein Handwerksburschenlied geworden:
Und wer bekümmert sich und wenn ich wandre In der grünen Sommerzeit;
Ist's die eine nicht, so ist's die andre,
Und wer bekümmert sich und wen» ich wandre, Ietzund reis ich weg von hier.
Alsdann geb ich meinem Stock die Spore», Und tue t, 2, 5, 4 Schritt,
Ach daß ich komm und komm ein Stücklein Auf daß ich komm ein Stücklein weiter In dem schönen grünen Wald.
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