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Der Übergang von der älteren zur jüngeren Steinzeit.
Durch den Rückzug der Gletscher seit dem Ende der letzten Vereisung des norddeutschen Tieflandes wurde auch die Mark nach und nach eisfrei. Langsam zogen die Gletschermassen über die Mstsee hinweg weiter und weiter nach Norden und wurden schließlich auf einen verhältnismäßig geringen Raum beschränkt. Der unmittelbar am Rande des zurückweichenden Eises liegende Landgürtel war und blieb zunächst noch wüst, und die vom Eise her wehenden kalten und trockenen Vstwinde ließen kein Leben aufkommen. Je weiter das Eis abschmolz, um so weiter rückten von Süden her die anspruchslosen, dürftigen Steppenpflanzen vor und mit ihnen die Steppentiere. Auf den breiten Steppengürtel ab.er folgte der Wald*) und in seinem Gefolge die ganze bei uns jetzt heimische Pflanzen- und Tierwelt. Schritt für Schritt drang auch der Mensch nach Norden vor, um das vom Eise befreite Gebiet zu besiedeln. Die Mark Brandenburg zeigt während der frühen Nacheiszeit dasselbe Bild wie die benachbarten Vstseeländer, und die Betrachtung der heimischen Aultur ist von der Betrachtung Gst- und Westpreußens, Pommerns, Mecklenburgs, Schleswig-Holsteins, ja auch Dänemarks und Schwedens nicht gut zu trennen.
Die ältesten Spuren des Menschen aus der Nacheiszeit dürften wohl noch hinaufreichen in die Eismeerperiode der Mstsee, d. h. in diejenige Zeit, als die Mstsee noch ein Arm des nördlichen Eismeeres war und sowohl über Südschweden als auch Nordrußland hinweg mit dem Weltmeere in Verbindung stand. Nach einer in der damals stark salzhaltigen Mstsee häufig vorkommenden Muschel sVolilin uretieu) bezeichnet man diese Periode auch als poIdiazei 1.
Über den Menschen und seine Aultur während der Poldiaperiode wissen wir noch nicht viel. Es ist nicht unmöglich, daß eine Reihe der kleinen, zierlichen Feuersteingeräte, wie wir sie nicht selten in großer Menge auf sogenannten Feuersteinschlagstätten finden, schon der frühen Nacheiszeit angehört,sicher aber ist, daß wir nicht alle diese Hinterlassenschaften einer mikrolithischen Aultur ohne weiteres dem frühesten Neolithicum zuschreiben dürfen. Man kann vielmehr annehmen, daß z. B. die so überaus reichhaltigen
p. Reinecke „hat sie doch wohl nichts mit dem Glazial resp. Spätglazial zu tun; die Hacke dürfte frühneolithisch sein (nicht aus einer Rentierstange, sondern aus Hirschhorn)". (Mainzer Zeitschr. Ill, S. 6Z, Anm. io.) Kossinna (Mannus I, S. 2Zf.) schreibt den „Setzkeil" von Prenzlau der Holdiazeit zu. Sarauw bezweifelte mir gegenüber ebenfalls, daß es eine Rentierhacke wäre und nach genauer Vergleichung mit Hirsch- und Rengeweihen des Mark. Museums mußte ich zustimmen. Um aber sicher zu gehen, wurde Prof. Matschie vom Museum für Naturkunde in Berlin um ein Gutachten gebeten. Prof. Matschie ist der Ansicht, daß die Hacke sicher nicht vom Ren stamme, wahrscheinlich aber vom Rothirsch. Privatdozent vr. Hilzheimer-Stuttgart erklärte ebenfalls, daß die Hacke aus Hirschgeweih gefertigt ist.
') F. Solger: Vortrag in der Berliner Iweiggesellschaft der Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte. (8. Noo. tstog. — Mannus II, ( 9 ( 0 , S. 285sf.
2) G. Kossinna: Mannus I, (goy, S. 25. — Oie Geologen haben bisher zweifellose Zeugnisse der Holdiazeit weder in Pommern noch in Brandenburg nachgewiesen, vgl. hierzu Menzel: Zeitschr. f. Lthnol. igN- wenn alle „Feuersteiiischlagstätteu" mit ihrer mikrolithischen Kultur der frühesten neolithischen Zeit angehören, so muß der Boden, auf dem oder in dem sie gesunden werden, wenn nicht älter, mindestens altalluvialen Ursprunges sein. Dafür liegen aber noch keine Beobachtungen vor.
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