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2. Entstehung, Entwicklung und Chronologie der kaiserzeitlichen Eisenkultur.
Noch vor wenigen Jahrzehnten wurden die in Nord- und Mitteldeutschland häufig vorkommenden Urnenfriedhöfe mit den zahlreichen kaiserlichen Fibeln, Waffen und Geräten für „Wendenkirchhöfe" gehalten. Als man durch einige genau zu datierende Funde diese Ansicht als Irrtum erkannt hatte, nahm man ganz allgemein an, daß alle Altertümer dieser Zeit, soweit sie nur irgend eine gewisse Geschicklichkeit verrieten, aus römischen Werkstätten hervorgegangen seien. Den Germanen konnte man doch unmöglich Zutrauen, daß sie die prächtigen, tiefschwarzen, schön geformten Mäandergefäße oder g w die Bronze- und Silberfibeln selber angefertigt hätten?)
Erst in neuester Zeit ist man ohne Vorurteil an die Prüfung der „römischen" Funde herangegangen und hat sich, was einzig und allein richtig ist, auf den Boden der Tatsachen gestellt. Altertümer, die wirklich römischen Ursprunges sind, müssen sich nicht nur bei uns, sondern auch im römischen Reiche, mindestens also in einer ehemals römischen Provinz Nachweisen lassen. Solche Altertümer gibt es. Die schönen roten, aus der Drehscheibe gearbeiteten und meist kunstvoll verzierten Terrasigillatagefäße, wie sie, obwohl selten, auch in der Mark gefunden worden sind, entstammen in der Tat römischen Fabriken?) Wir wissen heute nicht nur, daß das Ursprungsgebiet dieser Gefäße Italien ist (Arezzo, puteoli usw.), und daß sie später in Gallien und auch am Rhein hergestellt wurden; wir können nach der Technik, dem Ton und der Verzierung auch das Alter dieser Gefäße genau bestimmen. Und ähnlich ist es mit römischen Bronzegefäßen und dem ganzen römischen Import. DiereicheFüllederkaiserzeitlichenAlter- tümer ist jedoch heimisches Fabrikat; ja sie sind auch nicht einmal römisch beeinflußt. Die Grundlage, auf der sich die Typen der Aaiserzeit entwickelt haben, ist nicht die römische, sondern die heimische La-Tsne-Aultur. Die Nachwirkung der La-Tsne-Aultur war so stark/daß sich sogar die römische Provinzialkultur, also die Aultur der Länder, die politisch völlig unter römischer Herrschaft standen, aus der La-Tsne-Aultur entwickelt hat, hier natürlich unter Einwirkung der italisch-römischenWare.
Am Rhein und an der Donau macht sich der römische Einfluß in den meisten Gebieten schon von der frühesten Aaiserzeit an geltend. Im übrigen Deutschland, auch in der Mark, werden die Spuren römischer Aultur erst in viel späterer Zeit bemerkbar, etwa seit den Markomannenkriegen Höl—> 80 ), also seit der letzten Hälfte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts. Damals wurden einige germanische Stämme auf römisches Gebiet verpflanzt und damit der römischen Aultur ein günstiges Einfallstor ins Germanenland eröffnet. Der römische Einfluß wird am stärksten im dritten und vierten Jahrhundert. Am Ende des vierten Jahrhunderts setzt bekanntlich die Völkerwanderung ein, und mit ihr beginnt die große Abwanderung der Germanen auch aus der Mark nach dem Süden hin.
So umfaßt die römische Aaiserzeit einen Zeitraum von etwa fünf Jahrhunderten. Man unterscheidet die frühe, die mittlere und die späte Aaiserzeit. Die letztere geht über in die Zeit der Völkerwanderung.
tz Silberner Armring: voß u. Stimming Abt. V, Taf. Silberner Haken: Ebenda V, ^ 2 . 2 ) Dragendorff: Zeitschr. f. Lthnol. ;gos, S. 3N. — Bonner Jahrbücher i8ys.