Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1912) Die Volkskunde / von Robert Mielke [u.a.]
Entstehung
Seite
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Z. Die Bevölkerung der Mark während der Raiserzeir.

<Ls unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, daß die Mark Brandenburg während der Aaiserzeit ausschließlich von Germanen bewohnt war. Schon auf der Weltkarte des Agrippa/) die etwa aus der Zeit um Christi Geburt herrührt, liegt unsere Land­schaft fast genau in der Mitte des germanischen Gebietes, das bereits damals von der Weichsel, der Donau und dem Rheine begrenzt wurde und im Norden bis nach Skandi­navien hin reichte. Schon in ältester Zeit lassen sich bei den Germanen zwei Gruppen unter­scheiden, die in Tracht, Charakter, Religion, Sprache und Aultur voneinander abweichen. Auch den römischen Schriftstellern ist dieser Unterschied zwischen West- und Dstgermanen nicht entgangen, und die neuere Forschung hat die tiefgreifenden Unterscheidungsmerkmale in jeder Beziehung bestätigt gefunden?) ptotemäus (s80 n. Chr.) gibt als Grenze zwischen Vst- und Westgermanen die Vder an.

Unsere Mark wurde im Westen also von Westgermanen und im Vsten von Vst- germanen bewohnt. Zn der Altmark saßen bis zur Clbe hin, auch noch darüber hinaus im westlichen Teile der prignitz, die Langobarden, während sonst der ganze Westen der heutigen Mark von Semnonen besetzt war. Diese Semnonen hielten sich nicht nur selbst für einen der ältesten und edelsten germanischen Stämme, sie standen vielmehr in der Tat in Germanien in höchstem Ansehen. Ihr Land barg den heiligen Hain der herminonischen Stämme, den niemand ungefesselt betreten durste. Wo dieser Hain lag, läßt sich nicht bestimmen; er ist z. B. bei Burg im Spreewalde, im Blumenthal bei Strausberg, auf den Müggelbergen bei Cöpenick gesucht worden?) Zm östlichen Teile der Mark wohnten die Vstgermanen, die wandilischen Silingen, die Burgunden und zuletzt auch noch ihre Bedränger, die Goten.

Dieselben Gegensätze zwischen Vst- und Westgermanen, wie sie uns von römischen Schriftstellern bezeugt werden, kommen nun auch in den archäologischen Funden zutage. Aossinna hat es unternommen/) die in den Funden hervortretenden Eigenheiten ethno­logisch zu deuten. Nach Aosfinas Ansicht gehört der nordwestliche Teil der Mark Brandenburg während der jüngeren Stein- und der ältesten Bronzezeit zur alten Heimat der Nord-Zndogermanen. Der Süden und Südosten war damals schwach bewohnt. Von der zweiten Periode der Bronzezeit ab wird das Land westlich und nördlich einer Linie, die von Schwedt a. d. G. über Lberswalde, Berlin, Potsdam westlich zur Clbe hinzieht, von Germanen besiedelt. Die Neumark, die Lausitz und den Süden dagegen nimmt einer der thrakischen Stämme in Besitz, der erst um 300 v. Chr. Geb. von den nach Westen

') Mullenhoff: Deutsche Altertumskunde III, 212 ff.

*) D. Pniower: Die Bevölkerung Brandenburgs vor der slawischen Zeit. Archiv der Lrandenburgia III, 1897, S. 91 ff.

b) h- Jentsch: Die xrähist. Altertümer aus dem Stadt- und Landkreise Guben 1885,

S. 12.

h G. Kossinna: Die verzierten kanzensxitzen als Kennzeichen der Dstgermanen. Zeitschr. f. Lthnol. 1905, S. 5S9ff. Derselbe: Die Herkunft der Germanen. NIannusbibliothek, Heft 6, 19U-

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