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vordringenden Ostgermanen verdrängt wird. Die ostgermanischen Stämme der Wandilier, Burgunden und Goten lassen sich durch ihre Kultur sowohl untereinander als auch von den westgermanischen Stämmen unterscheiden. Während der Früh- und Mittel-La-Tone-Aeit reicht die Ostgrenze der Westgermanen bis in die Lausitz hinein und zwar bis in die Kreise Talau und Luckau; weiter nördlich bilden die Gräberfelder von Rudow und Ragow im Kreise Teltow die Grenze, während in der Neumark sogar noch das rechte Oderufer von Westgermanen besetzt ist. In der Nittel- und Spät-La-Tdne-Aeit rücken jedoch die Ostgermanen bis an die Oder heran. Die wandilischen Stämme gehen in der Spät-La-Tdne-Zeit die Oder aufwärts bis zur Neißeh und überschreiten sogar die Oder, während der östliche Teil der Niederlausitz verödet bleibt. Die Grenzen zwischen West- und Ostgermanen verschieben sich naturgemäß. Im 1,. Jahrhundert n. Thr. ist das rechte Oderufer noch von Westgermanen besetzt. War die östliche Neumark bis jetzt wenig besiedelt, so dringen im 3. und 4 . Jahrhundert die ostgermanischen Burgunder mit ihren Brandgrubengräbern weit über die Oder vor.
Auch aus der Lausitz ziehen sich die Westgermanen zurück, und während der späten Kaiserzeit sind die Kreise Talau und Luckau bereits in den Händen der Gstgermanen. Zwischen beiden Gruppen liegt ein breiter, öder Gürtel (die Uckermark und das Ruppiner Land sind fast leer), und erst im äußersten Westen der Mark finden sich westgermanische Gräberfelder.
Kossinnas Schlüsse sind für die Lösung der schwierigsten Probleme, ja für die ganze Stellung der Prähistorie den anderen Wissenschaften, z. B. der Geschichte gegenüber, von so weittragender Bedeutung, daß man diesen Auseinandersetzungen mit großer Vorsicht gegenübersteht. Historiker und Germanisten haben von ihnen fast überhaupt noch nicht Notiz genommen, aber auch in den Kreisen der Fachgenossen werden Kossinnas Ansichten teilweise einfach abgelehnt teilweise mit allergrößter Zurückhaltung betrachtet. Die Gründe für diese Stellung der Forscher sind mannigfaltig. Sie liegen sowohl in der Arbeitsweise Kossinnas als auch in der Natur des archäologischen Materials. Ganz ausschalten müssen wir hier natürlich diejenigen Forscher, die sich nicht der Mühe unterziehen können oder unterziehen wollen, sich die für eine gerechte Beurteilung unbedingt nötigen wissenschaftlichen Grundlagen anzueignen. Kossinna selbst aber hat bisher noch nicht im Zusammenhänge mit der nötigen Ausführlichkeit seine Ansichten veröffentlicht und ist uns die versprochenen Darstellungen noch schuldig geblieben?)
Wo er aber einigermaßen eingehende Erörterungen veröffentlicht hat, da gab er fast immer nur seine Schlüsse und nicht auch das Material, aus dem sich diese Schlüsse ziehen lassen. Selbst wenn ein Forscher voraussetzen darf, daß jeder Fachgenosse sein Material einigermaßen kennt, so hat er doch die Pflicht, die zum Beweise seiner Hypothesen notwendigen Grundlagen heranzuziehen, ganz be
st U. Jeuß: Die Deutschen und die Nachbarstämme, st vgl. Zeitschr. s. Lthnol. tyos, S. 407.