VI. Die Mendenzeit (6.—12. Iahrh. n. (Lhr.).
l. Einrücken der Slawen.
Die Abwanderung der Germanen aus dem östlichen Deutschland während der Stürme der großen Völkerbewegung im fünften und sechsten Jahrhundert hatte zur Folge, daß von Osten her slawische Stämme aus ihren früheren Sitzen im südwestlichen Rußland nachrückten und das ganze Gebiet bis zur Elbe, ja zum Teil noch darüber hinaus in Besitz nahmen. Ganz menschenleer fanden die Wenden unsere Mark allerdings nicht. Hier und da müssen nicht unerhebliche Reste der germanischen Bevölkerung zurückgeblieben sein; im anderen Falle hätten mündliche Überlieferungen wie die Sage vom Königsgrabe von Seddin nicht über den Bevölkerungswechsel hinweg so treu im Gedächtnis der Umwohner haften können. Auch die so zahlreichen germanischen Grtsbezeichnungen aus vorslawischer Zeit wären nicht zu erklären. Immerhin waren die zurückgebliebenen Germanen nicht stark genug, um der wendischen Überflutung erfolgreich Widerstand leisten zu können. Um welche Zeit und auf welche Weise die Wenden von der Mark Besitz ergriffen, läßt sich nicht genau sagen. In den Gesichtskreis der deutschen Geschichtschreiber treten die Slawen erst zur Zeit der Sachsenkriege. Selbst, was wir von den Schriftstellern des zehnten bis zwölften Jahrhunderts hören, ist so lückenhaft, daß es unmöglich ist, sich ein klares Bild vom Leben und von der Kultur der Wenden zu machen. Die geistlichen Schriftsteller des Mittelalters betrachten die slawischen Heiden überdies von einem so einseitigen Standpunkte aus, daß wir heute schwer unterscheiden können, was wir für wahr und was wir für mönchische Übertreibung halten müssen.
Während der Sachsenkriege finden wir die Wenden bereits in so festen Sitzen, daß ihre Ginwanderung schon längere Zeit vorher erfolgt sein muß.
2. Die Rulrur der Wenden.
Leider wird das lückenhafte Bild, das uns die Schriftsteller von der wendischen Kultur geben, noch bei weitem nicht in vollem Maße durch die Funde ergänzt. Am wenigsten verraten uns die bisherigen Altertümer über die ersten Jahrhunderte der slawischen Besiedlung. Mag sein, daß das Land in jener Frühzeit schwach bevölkert war, mag sein auch, daß die damaligen Sitten, z. B. die Grabgebräuche, der Erhaltung wendischer Altertümer nicht günstig waren — der Hauptgrund unserer mangelhaften Kenntnis liegt doch in dem Tiefstand der Forschung auf diesem Gebiete. Hier genügt es wirklich nicht, daß man die zufällig einmal zutage geförderten Gefäße aus der Wenden-