Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1912) Die Volkskunde / von Robert Mielke [u.a.]
Entstehung
Seite
456
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sagte mir, daß auf diesem Platze im frühen Mittelalter ein Haus gestanden haben müsse, denn auf der Oberfläche des beackerten Landes lag eine große Menge von mittelalterlichen Gefäßresten, namentlich Reste jener blauschwarzen Ware, die für die deutsche Frühzeit so charakteristisch ist. Beim ersten Versuch stieß ich in unmittelbarster Nähe der geschwärzten Steine auf eine regelrechte Packung von kopfgroßen und auch größeren Steinen, die zum Teil vom Brande ganz mürbe geworden waren, so daß man sie mit den Fingern zerreiben konnte. Es unterlag vom ersten Augenblicke an keinem Zweifel, daß man es mit einem Herde zu tun hatte, um so mehr, als der Herd - die größte Ähnlichkeit mit denen von Buch hatte. Er unterschied sich von den herdstellen in Buch nur dadurch, daß er mehr viereckig gepackt war und die Steine größtenteils mit Lehm verbunden waren. Namentlich der größte Stein

lag, sorgfältig kantig behauen, geradezu in einer Lehmbettung. Daß der Herd aber dem frühen Mittelalter angehörte, bewiesen die vielen Gefäßreste, die auf dem Herde oder zwischen den Steinen zerstreut umherlagen und von zertrümmerten Koch- töpsen herrührten. Die ganze Umgebung des Herdes war mit einer dicken Lehmschicht be­deckt und an dem Estrich ließen sich sogar die Grenzen des Herdraumes erkennen. An den Grenzen dieses Raumes machten sich außerdem die vier Wände bemerkbar. Pfostenlöcher waren hier ebensowenig vorhanden wie sonst an den Wänden des Hauses. Dadurch wäre die Feststellung des Grundrisses sehr erschwert worden, wenn sich die Wände nicht wie ja auch schon mehrfach in Buch auf andere Weise hätten finden lassen.

Bei dem Bauernhause von Niedergörsdorf haben wir nicht Pfosten-, sondern Schwellenbau. An einer großen Zahl von Stellen sieht man Steine, die allein schon die Richtung der Wände angeben. Auf diesen Steinen lagen Holzbalken oder Schwellen, von denen u. a. ein 75 om langes und 25 em breites Stück an der Südwest­wand noch vorhanden war. Zn die Schwellen müssen nach Art unserer Fachwerk­mauer die senkrechten Stiele eingelassen worden sein. Einige Lehmbrocken deuten darauf hin, daß an verschiedenen Stellen die Wände ähnlich konstruiert waren wie in Buch, daß sie also aus übereinandergelegten, hier aber kantig behauenen hölzern be­standen, deren Fugen mit Lehm ausgestrichen waren. Der größte Teil der Bewurf- stücke, die in zweiter Linie den Verlauf der Wände erkennen lassen, besteht aus Lehm, der stark mit Stroh gemischt war. Das Stroh ist nur noch an den Abdrücken nachzuweisen, die nicht selten volle Röhren darstellen. Es ist nicht immer zu Häcksel zer­schnitten worden; vielmehr finden sich ganze Lagen von glatten, parallel zueinander laufen­den Halmen, die beweisen, daß der Lehm gegen glatt geschichtetes Stroh geworfen wurde. Aus der Richtung der Wände ersieht man, daß der Grundriß etwa WO qm umfaßte. Die Längswände sind WFst m, -ie Giebelwände 6,80 m lang. Die Wohnung umfaßt außer dem Herdraum noch zwei Kammern, deren Boden ebenfalls mit Lehmestrich überzogen war. Zn der einen Kammer waren Holzreste in großer Menge erhalten; die Fasern des Holzes lagen sämtlich horizontal. An die drei Kammern schloß sich ein großer viereckiger Raum, der als StaIlung angesehen werden muß. Lr ist nicht mehr durch Wände geteilt; vielleicht aber deuten die Steine auf eine Gliederung des Raumes, die durch einfache Balken oder Bretterwände bewerkstelligt war, wie wir sie in den Ställen noch heute finden. Ein langer schwarzer Streifen, der sich an der Südwestwand des Stalles