Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
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257
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Domkirche(Baugefchichte), 257

Dieſer kann feinen Platz nur in der Krypta des hl. Auguſtin gehabt haben, die im Breviar von 1488 genannt und ohne Zweifel mit der Hauptkrypta gleichbedeutend iſt. Ihr Altar gehört ſicher ſchon ſeit ihrem Beſtehen dieſem Kirchenvater zu, nach deſſen Regeln die Prämonſtratenſer lebten, und es handelte ſich daher gewiß nur um eine Neuweihung des Raumes, die dadurch nötig wurde, daß der Umbau dieſer Zeit auch die Krypta ergriffen hatte. Das beſtätigen in der Tat verſchiedene Reſte und Spuren am Weſtende des Hochchores noch bis heute, obwohl die gegen­wärtig hier beſtehende breite Treppe manche für den damaligen Kultus in der Dom­kirche wichtige Einrichtung verdrängt hat. Jene Anzeichen laſſen zunächſt unzweideutig erkennen, daß der Hochchor in gotiſcher Zeit nachträglich um ein gewiſſes Maß nach Welten verlängert worden iſt(Abb. 178 u. Taf. 43).

Die beiden großen weſtlichen Bogenöffnungen der Krypta zeigen in ihren Laibungen rißartige Baunähte, aus denen hervorgeht, daß die Weſtmauer hier nach­träglich faſt um 2 m verſtärkt wurde, und zwar offenbar nicht der Krypta wegen, ſondern um den Chor ſoviel zu verlängern. Der Zweck dieſer an ſich nicht bedeutenden Vergrößerung iſt noch jetzt am Ende des nördlichen Seitenſchiffes zu erkennen, wo ein Treppenreſt, nämlich die oberſten Stufen einer ſchmalen Steintreppe, ſich hart am Vierungspfeiler vorbei in ſüdlicher Biegung durch eine enge Tür windet, um auf die damals neu geſchaffene Mauer bezw. auf den Hochchor zu gelangen, der eben deswegen weſtwärts verlängert werden mußte. Dieſe wenn auch nur kleine Treppe, die ſich übrigens in gleicher Anlage auf der Südſeite wiederholte und dort noch bis ins 19. Jahrh. erhalten war, erfüllte den vermutlich ſchon längſt dringend gewordenen Wunſch nach einem unmittelbaren Zugange zum Chore von der Laienkirche aus. Ein ſolcher durfte freilich andrerſeits nicht ſtets offen bleiben; der Chor mit ſeinem Aller­heiligſten und ſeinen Wertgegenſtänden mußte verwahrt werden können; deshalb war es nötig, am oberen Ende der Treppe eine verſchließbare Tür anzubringen und zu dieſem Zwecke die Seitenmauer des vorgezogenen Chorteiles bis an den Arkaden­bogen hinaufzuführen. Ihre vorn abgerundete Kante iſt im nördlichen Seitenſchiff noch in ganzer Höhe ſichtbar.

Wohl dem gleichen Bauunternehmen müſſen die Scheidewände zugeſchrieben werden, welche die Vierung, den Raum des eigentlichen Chores, gegen die Kreuzarme abſchließen. Derartige Abſchlüſſe waren ſeit dem Einbau der Krypta und der Erhöhung des Chores notwendig geworden, um die Rückwände des Geſtühls zu decken, das hier für den Sängerchor der Kanoniker aufgeſtellt war. Sie wurden im 14. Jahrh. erneuert und wohl gleichzeitig erhöht. Die architektoniſche Gliederung der Wände(Abb. 177) beſchränkte ſich naturgemäß auf die Außenflächen. Sie beſteht in einer Reihe von ſchmalen Spitzbögen, die einſt zu je zweien von einem größeren Bogen umfaßt waren. Die Rundſtäbe der Nebenſtützen, die unprofilierten Kanten der Bögen und der Hauptſtützen, vor allem das zarte, noch zurückhaltend modellierte Weinblattwerk der Kapitelle geſtatten, die Ausführung dieſer im 19. Jahrh. durch teilweiſen Abbruch und durch Hinzufügung eines krönenden Zinnenkranzes entſtellten Schranken der Frühgotik zuzuſprechen.

Kunſtdenkm. d. Prov. Bdbg. II. 3. Stadt und Dom Brandenburg . 17