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Die Grafen von Anhalt, nach ihren Burgen auch Askanier und Ballenstedter g enannt, besaßen seit dem Anfang des 11. Jahrhunderts im Gebiete der oberen Elbe zwischen Saale und Mulde ausgedehnte Güter, die durch ihre Lage in und an dem von Slawen bewohnten Gebiet der Mulde und durch dis Nachbarschaft zur Lausitz dem angesehenen und streitbaren Geschlechts die Verpflichtung auferlegten, in seinem eigenen Interesse diesen Abschnitt der Reichsgrenze gegen die Angriffe der Slawen zu schützen. Die Askanier haben mithin vom Beginn ihres Auftretens in der Geschichte eine kriegerische Mission gegen die Slawen zu erfüllen gehabt, und daraus erklärt es sich, daß gerade sie dazu berufen waren, den Vernichtungskampf gegen die Slawen zwischen Elbe und Oder zu führen und das ostelbische Land dem Deutschen Reiche zurückzuerobern.
Schon Graf Otto der Reiche von Anhalt hatte seine Besitzungen wiederholt gegen räuberische Einfälle der Slawen verteidigen müssen und im Verein mit dem Erzbischof von Magdeburg die Wilzen, Ranen und Lusitzer die Schärfe seines Schwertes fühlen lassen. An diesen Rümpfen hatte sein Sohn Adalbert, gewöhnlich Albrecht der Bär genannt, teilgenommen und hierbei, sowie später als Verwalter der Ostmark und der Lausitz (1124), Gelegenheit gehabt, mit den Lebensgewohnheiten und der Kampfesweise der slawischen Feinde bekannt zu werden. Schon damals und dann anläßlich der zweiten Missionsreise des Bischofs Otto von Bamberg nach dem Norden des Wendenlandes und nach Pommern (1127) hatten die Maßregeln Albrechts erkennen lassen, daß er ernstlich daran dachte, den Wirkungskreis seines Hauses über die Elbe hinaus nach Norden und Osten zu erweitern und seine Kräfte in den Dienst der deutsch-christlichen Kolonisationsbewegung zu stellen,1) und als ihm Kaiser Lothar am 15. April 1134 die Verwaltung der Nordmark übertrug, da stand der Plan des neuen Markgrafen für die künftige Zeit fest. Nicht nur im Interesse seines Hauses — nein, auch im Interesse des Reiches wollte er fortan handeln und nicht wie seine Vorgänger sich auf die Verteidigung der Grenzmarken beschränken, sondern weiter nach Osten und Nordosten vordringen und das Wirkungsgebiet der deutschen Kolonisation und Mission auch über die Elbe hinaus erweitern und befestigen.
Zunächst konnte Markgraf Albrecht (1134— 1170) an die Ausführung so weitgehender Pläne nicht denken, seine erste Aufgabe mußte vielmehr sein, die wirtschaftlichen und kirchlichen Verhältnisse in den Grenzmarken, die während der politischen Wirren im Deutschen Reiche in den letzten Jahrzehnten sehr vernachlässigt waren, zu ordnen und zu sichern. So suchte er die Nordmark, die im östlichen Teil zwischen Aland, Uchte und Elbe vielfach von Slawen bewohnt war und keinen zuverlässigen Rückhalt für seine Truppen bot, durch Ansiedlung von deutschen und holländischen Kolonisten zu einer deutschen Grenzmark umzugestalten und
i) O. v. Heinemann, Albrecht der Bär (1864). — H. Krabbo, Albrecht der Bär in: Forschungen zur Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Bd. 19 (1906).