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Landeskirche zurück, und nur die radikaleren sind in die modernen „freireligiösen" Gemeinden, z. B. die Berliner, übergetreten.
Dagegen hat die von der Sozialdemokratie seit längerer Zeit auch in der Mark nicht erfolglos ins Werk gesetzte Austrittsbewegung aus der evangelischen Landeskirche mit religiösen Beweggründen nichts zu tun; sie ist eine demagogische Machtprobe der Umsturzpartei und muß also vom politischen Standpunkt aus beurteilt werden.
Dem märkischen Boden ist indes auch das eigentliche Sektenwesen seit der Reformation so wenig unbekannt geblieben, wie es ihm einst unter Roms Herrschaft gefehlt hatte, und bald sind fremde separatistische Gemeinschaften in die Mark eingedrungen, bald hat sektirerisches Wesen im Lande selbst seinen Ursprung genommen.
Aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges kommt die Kunde, daß in den märkischen Städten der W e i g e l i a n i s m u s, das mystische Christentum des (588 verstorbenen ehemaligen sächsischen Predigers Valentin Weigel viele Anhänger gewonnen hatte. Gegen die Mennoniten, die ihm die Heerespflicht verweigerten, nahm König Friedrich Wilhelm 1- hart Stellung, sein duldsamer Sohn aber öffnete 1(765 ausdrücklich zwanzig M e n n o ni te n familien seine brandenburgischen Staaten und setzte sie als Kolonisten im Netzebruch zu Brenckenhofswalde an; unbehinderte Religionsübung und Freiheit vom Militärdienst für sich und ihre Nachkommen wurden dabei bewilligt, weitere Einwanderungen der Mennoniten jedoch verhindert; allgemeine Duldung sprach erst eine Königliche Kabinettsorder vom 1(6. Mai 1(830 aus. Nach amtlichen Nachrichten gab es 1837 insgesamt nur H!( Mennoniten in der Mark, wovon im Frankfurter Bezirk 31( wohnten; die Zählung von I(86I( zeigte einen Rückzug auf l9 Personen, von denen (4 in Berlin ansässig waren. Da die neuere Statistik alle Sekten unter der Gruppe „Sonstige Christen" zufammenfaßt, ist über den gegenwärtigen Stand der Mennoniten wie der im folgenden genannten anderen Sekten Zuverlässiges nicht zu berichten.
Eine erhebliche Anhängerschaft haben in jüngerer Zeit Baptisten und Zrvin- gianer in unserer Provinz gewinnen können.
Die in England schon im 1(7. Jahrhundert auftretenden „Täufer" fanden in Deutschland erst im vierten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts Eingang. Zumal in Berlin erstand (843 unter Führung des Kupferstechers Lehmann ein Baptist e n v e r e i n , der zwar nicht die Rechte einer geduldeten Religionsgemeinschaft, doch aber unter der Voraussetzung, daß er sich den öffentlichen Gesetzen unterwerfe, keine proselyten mache und bei seinen Taufen Neugierigen den Zutritt verwehre, die Zusage erhielt, daß ihm Schwierigkeiten nicht in den Weg gelegt werden sollten. Seitdem hat die Sekte, obgleich bei weitem nicht in demselben Maße wie in den angelsächsischen Ländern und in Schweden, doch auch in der Mark beträchtliche Gefolgschaft gefunden. Zm Jahre ( 861 . zählte man
in Berlin: (69 Baptisten,
im Reg.-Bez. Frankfurt: 34-7 „
im Reg.-Bez. Potsdam: 7ß0ch „
9 hier stellte der Kreis Templin mit 257 Taufgesinnten beinahe die Hälfte.