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Wilhelm von Sommerfeld hat als unterscheidendes Merkmal des deutschen Dorfes den Besitz zu Erbrecht, den festen Satz der Abgaben und Leistungen und eine allerdings nur beschränkte Selbständigkeit in der Verwaltung und Jurisdiktion hervorgehoben. Dagegen ist in rein slawischer Zeit das Dorf ohne Bedeutung für das öffentliche Recht; als unterster politischer Verband für die einzelnen Geschlechter erscheint vielmehr die Dpole (vioiuiu), die mehrere Dörfer umfaßte und wiederum eine Unterabteilung der olvltus oder rmpu war?)
Die deutschen Dörfer sind fast durchweg ausgrundherrlichem Boden entstanden. Wohl kein einziges Dorf, abgesehen von einigen Ausnahmen in der Lenzer Wische, ist nachweisbar, in dem die Bauern, obwohl persönlich durchaus freie Männer, freies und unbeschränktes Eigentum an Hof und Ländereien gehabt hätten. Allenthalben gab es vielmehr über dem Grund und Boden einen Herrn — Markgraf, Bischof, Kloster, Orden oder Ritter —, den die aus Altdeutschland Zuziehenden schon vorfanden und der ihnen Grund und Boden überließt) indem er sich dabei, ähnlich wie es auch bei den Städten geschah, eines Mittelmanns, des in schlesischen Urkunden vielfach genannten Lokators, bediente, mit dem er einen Vertrag abschloß?) Die Hufen zu je etwa 30—70 Morgen wurden fest vermessen, denn bei dem geregelten Abgabewesen, wie es die Deutschen einsührten, war die sorgfältige Einteilung der Feldmark in eine bestimmte Anzahl von Husen als Grundlage zur Bemessung der Abgaben eine unerläßliche Vorbedingung. Ähnlich wie bei den deutschen Dörfern Schlesiens wurden auch bei uns Steine, Fließe, einzelstehende Bäume, Erdhügel und Wälle zur Markierung der Grenzlinien gewählt, die sich viele Jahrhunderte hindurch bis in unsere Tage unverändert erhalten haben. Die alte in den Flämingsdörfern Grubo und Bergholz noch heute übliche Sitte, von Zeit zu Zeit feierliche Grenzzüge zu veranstalten und die an ihnen teilnehmenden Knaben bei wichtigen Grenzpunkten zu züchtigen,, beweist, wie wichtig es den Deutschen erschien, dem jungen Geschlecht feste Kenntnis, deutliche Vorstellungen über die Grenzen seines Heimatsortes „einzubläuen".
Die deutschen Bauern wurden im allgemeinen nach deutschem, d. h. sehr gutem Recht von dem Lokator angesetzt. Dieses jus klwutonieuin hob sich scharf von dem ungleich schlechteren Besitzrecht der slawischen Landleute ab. Während diese, falls sie schlecht wirtschafteten, ohne weiteres von Haus und Hof gesetzt werden konnten'') und überhaupt den Knechten oder Sklaven gleich geachtet wurden, besaßen die persönlich freien deutschen Bauern ihre Güter zu Erbzinsrecht — als Rentengüter, würde man heute sagen —; für die Verleihung des Ackerlandes mußten sie dem Grundherrn, der ihnen Land angewiesen, einen Zins entrichten, und zwar von
h Rachfahl, Gesamtstaatsverwaltung Schlesiens (Schmollers Forschungen XIII, t)- 9 Ebenso in Schlesien, wo es nach Rachfahl von vornherein nur grundherrliche, d. h. aus fremden (dem Herzog, dem Adel oder der Geistlichkeit gehörigen) Grund und Boden zu Erbzinsrecht angesiedelte Bauern gab (vgl. Schmollers Forschungen XIII, qz); vgl. Riedel, Mark Brandenburg II, 28 -p
9 vgl. Tzschopxe u. Stenzel, a. a. D., S. t§8; in Pommern hieß er posssssor.
9 vgl. über Vransee und die dazu gehörigen Dörfer in der prignitz Riedel I, -(57.