Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1910) Die Geschichte / von Gustav Albrecht ...
Entstehung
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mehr wie ehedem ^ 666^-ß Taler, sondern nur noch 5Z0 Taler, Ritterschaft und Land dagegen 410 Taler aufzubringen hätten. Außer dieser Neuordnung der Ma­trikel wurde ein Moratorium, d. h. ein Aufschub der Zahlungsfrist für säumige Schuldner, beschlossen. Der Rezeß vom Juli 1653 brachte nach monatelangen lang­wierigen Verhandlungen eine Bewilligung von je 100 000 Talern auf sechs Jahre für die Unterhaltung des stehenden Heeres, oder wie man damals sagte, des milos xer- p6tuu8. Freilich hatte der Große Kurfürst der Ritterschaft auf dem Gebiete der lokalen Verwaltung mancherlei Zugeständnisse machen müssen, so daß die gutsherr­liche Gewalt gleichsam zum Abschluß gebracht war: denn in strittigen Fällen, wo es unklar war, wie der Bauer zu seinem Herrn stand, wurde jenem die Beweis­last zugeschoben, d. h. er hatte nachzuweisen, ob er leibeigen war oder nicht (vgl. oben S. 270).

Der Große Kurfürst unternahm die Neuordnungbes sogenannten ständischen Kreditwerts", d. h. des landständischen Verwaltungsappa­rates, vermöge dessen seit der Regierung Joachims II. die märkischen Stände, Ritter­schaft und Städte gegen Übernahme der landesherrlichen Schulden die fast ausschließ­liche Verwaltung der gesamten Steuereinkünfte des Landes in dieHand bekommen hatten. Allmählich geriet diese Verwaltung mehr und mehr in Verfall und wurde vielfach in sehr einseitigem Standes- und Tliqueninteresse geführt. Die drei Klassen desKre­ditwerks", die Biergeldkasse (Brau- und Mahlsteuer), die ritterschaftliche Hufenschoß­kasse und der Städtekasten, waren jetzt mit mehreren Millionen Schulden belastet, deren Verzinsung eine geordnete Finanzwirtschaft nicht aufkommen ließ. Bei der Fortdauer der bisherigen Administration konnte weder der Staat zu seinem finan­ziellen Recht, noch das Land zu dem erwünschten Wohlstand gelangen.

Aber diese ständische Steuerverwaltung, auf unanfechtbare Rechtsurkunden gegründet, wurde von jeher als eines der kostbarsten landständischen Prärogative hochgehalten?) Mannigfaltige persönliche Interessen knüpften sich an die Fortdauer des Institutes, zumal viele von der Ritterschaft zu den Gläubigern der verschuldeten Kassen gehörten, und deshalb war natürlich der Kampf des Kurfürsten gegen sie lang­wierig und hartnäckig. Zuerst setzte der Kurfürst durch, daß die bis dahin völlig autonome ständische Verwaltung unter die Kontrolle landesherrlicher Beamten ge­stellt wurde 1673 wurde die selbständige Verwaltung der Städtekasse beschränkt, sodann zog man von den Schuldkapitalien, die möglichst schnell getilgt wurden, die bis dahin den Gläubigern gezahlten hohen Zinsen ab.

Mit dem stehenden Heer kamen die permanenten Steuern, die das alte Steuer­bewilligungsrecht des Landtags bald ganz illusorisch machten. Die Stände wurden nach und nach ganz zurückgedrängt. Der Rat, den der Große Kurfürst seinen Nach­folgern gegeben, die Hilfe der Stände,die allezeit was suchen, so der Herrschaft an ihrer Hoheit nachteilig ist", so wenig wie möglich in Anspruch zu nehmen, wurde von Friedrich Wilhelm I. und seinem Sohn getreulich befolgt. Die Stände traten im 18. Jahrhundert nur noch bei Regierungswechsel zusammen, um dem neuen Herrscher zu huldigen, so z. B. 1740 in Berlin.

h vgl. Hintze, Friedrich I. (Deutsche Bücherei, d-6 u. ys. Bd.)