Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1910) Die Geschichte / von Gustav Albrecht ...
Entstehung
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stände auf dem platten Land als unhaltbar, zumal wenn nicht altangesessene Familien die Polizei ausübten, sondern, wie z. B. in der Umgegend von Berlin, manche Rittergüter oder Domänenämter in den Besitz reicher in der Stadt wohnender Kaufherren gekommen waren, welche die Polizei durch Pächter oder untergeordnete Beauftragte verwalten ließen. Ferner krankte die Ordnung des Stimmenverhältnisses dort, wo Gemeinde-Voll­versammlungen stattfanden, an zwei augenfälligen Übelständen: die Teilnahme an dem Stimmrecht in den Gemeindeversammlungen hatte sich beispielsweise im Teltow so ge­staltet, daß die Bauern oder Hüfner, ohne Rücksicht auf Umfang des Besitzes und Heran­ziehung zu den Gemeindelasten, zwei, die Kossäten eine Stimme führten ein dem Billig­keitsgefühl der Gemeindemitglieder um so mehr widersprechender Zustand, als die alten Besitzverhältnisse durch Parzellierungen und Verkäufe sich vielfach verschoben hatten und manche Kossäten oder sogar Büdner durch Ankauf von Bauerngutsparzellen in die höhe gekommen waren; sodann war in manchen Gemeinden, besonders im Bannkreis der Hauptstadt, die Bevölkerungszahl auf viele Hunderte gestiegen, so daß es in den allzu vielköpfigen Gemeindeversammlungen, wo jeder mit Grundeigentum Angesessene mit­stimmte, notwendigerweise häufig recht ungeordnet zugehen mußte. Auf Grund des Ge­setzes vom sch April s856 war in solchen Fällen die Einführung eines Repräsen­tantenkollegiums" gestattet, wie sie z. B. in Schöneberg und Nowawes er­folgte?) Die Jahre nach dem Deutsch-Franz. Kriege brachten endlich in Anlehnung an Steinsche Gedanken die Einführung der Selbstverwaltung in den dörf­lichen Gemeinden, denn völlig neue Grundlagen für die Verwaltung der Dorfschaften wurden durch die Gesetze vom s3. Dezember 1872 und vom 3. Juli 1891, geschaffen. Für die Verwaltung verloren fortan die Institutionen der Gutsherrschaft und der Lehn­schulzen, die auf die erbliche Polizei und auf die Vorstandschaft innerhalb der Gemeinden verzichten mußten, ihre alte Bedeutung. Durch die Kreisausschüsse wurden von s873 an Amtsbezirke gebildet, in denen ernannte Vorsteher die polizeilichen Obliegenheiten im staatlichen Aufträge wahrnahmen. Die alte Scheidung der Dorfbewohner in Bauern, Kos­säten und Büdner verlor an Bedeutung, seitdem das Prinzip der Einwohner- gemeindezur Geltung gelangte und hierdurch Mitglied der politischen Gemeinde jeder war, der, ob Grundeigentümer oder nicht, innerhalb des Gemeindebezirks seinen Wohn­sitz hatte. Nach Maßgabe der Steuerleistungen teilte man die Gemeindemitglieder in drei Klassen, und auch die Forensen, besonders wichtig in manchen industriereichen Orten des Barnim und Teltow traten dem Gemeindeverbande bei. Aus den Wahlen der Gemeinde geht die etwa neun bis zwölf Köpfe starke Gemeindevertretung her­vor, mit beschließender Stimme in allen Finanzangelegenheiten. Die Geschäfte der Ver­waltung führt im Ehrenamt der von der Gemeinde erwählte Vorsteher, der die Vertretung zu berufen hat und von zwei Schöffen unterstützt und nötigenfalls ver­treten wird?)

So erhielten die Dörfer ähnlich wie die Städte schon im Jahre s808 das Recht der Selbstverwaltung, und der Staat behielt sich lediglich vor, die Wahlen zu bestätigen

9 vgl. 5patz im 2 . Verwaltungsbericht der 5tadt 5chöneberg (tyos), §. 18 , und 5patz' Lhronik von Nowawes-Neuendorf, S. 7S.

9 vgl. v. Rönne-Zorn a. a. V. II, 6H6; v. Rönne-Schoen a. a. D. S. 162 .