Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1910) Die Geschichte / von Gustav Albrecht ...
Entstehung
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und eine Oberaufsicht über die Finanzverwaltung zu führen. Die neugewonnene Freiheit haben viele Landgemeinden verständig benutzt, um treffliche Schuleinrichtungen zu schaffen, Wegeverbesserungen vorzunehmen u. dgl. mehr. Überall entwickelten sich die Dinge in echt märkischer, ruhiger Gelassenheit. Freilich ist er auch wohl vorgekommen, daß die eine oder die andere Gemeindevertretungzur Erleichterung des Verkehrs" die alten Linden auf der Dorfaue niederhauen ließ und damit die Ortschaft ihres schönsten Schmuckes beraubte!

Neben den Landgemeinden verblieben die selbständigen Guts bezirke. In ihrem Bereiche ist' der Besitzer des Gutes zu den Pflichten und Leistungen, z. B. Unter­haltung von Wegen, welche den Gemeinden für den Bereich ihres Bezirkes im öffentlichen Interesse gesetzlich obliegen, verbunden. Insbesondere hat der Gutsvorsteher als hilfs- organ des Amtsvorstehers obrigkeitliche Befugnisse auszuüben, und für die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, die vorläufige Festnahme und Verwah­rung von Personen zu sorgen.

Aufklärung über neue Gesetze wird den Dorfbewohnern jetzt nicht mehr wie ehe­dem von der Kanzel zuteil (vgl. 5. 273), sondern in den amtlichen Kreisblättern, die vor drei bis vier Jahrzehnten zuerst zu erscheinen begannen, teilen die Landräte den Ge­meinde- und Gutsvorständen alles Erforderliche mit.

Ausammenfassend sei bemerkt, daß, wie schon in früheren Perioden so auch in der zuletzt besprochenen, die Nkark kein einheitliches Bild gewährt. Die neuen Gesetze waren von besonders großer Wirkung in den Industrieorten und Vororten Berlins; in den rein ländlichen Ortschaften behaupteten sich jedoch vielfach dieselben Persönlichkeiten in leiten­der Stellung.

prvvinzialverwaltung nach I8IZ.

Nach f8(5 sollten die alten Landtage zu neuem Leben auferstehen und mit wesent­lichen Befugnissen umkleidet wiederum ein wichtiger Faktor im Staate werden. Den neuen Wein goß man nun nicht in den alten Schlauch, denn insofern trug man auch modernen Anschauungen Rechnung, als die Bauern alsdritterStan d" jetzt auch eine Vertretung erhielten, freilich eine numerisch so schwache, daß der erste Stand der Rittergutsbesitzer niemals von Bauern und Städten überstimmt werden konnte?) Viele Jahre dauerte es, bis die Einzelheiten geregelt waren, denn das besondere Gesetz für Brandenburg sowie Preußen und Pommern ist erst vom 1. Juli l 823 datiert und wurde zusammen mit dem allgemeinen Gesetz über die provinzial st ände am Ge­burtstage des Königs, am 3. August 1 823, verkündet. Der erste Landtag versammelte sich im Jahre s82ch nachdem sich die Wahlen ruhig, aber unter lebhafter Beteiligung voll­zogen hatten. Von einschneidender Bedeutung war nun aber, daß die in den einzelnen Landesteilen des Provinzialständischen Verbandes bestehenden kommunalen Ein­richtungen, wie das oben erwähnte Pfandbriefinstitut, die Landfeuersozietät u. s. f. (die Nkarsch- und Nlolestienkasse war inzwischen aufgehoben worden), nicht auf den Ge­samtverband übergingen, sondern in ihrer ursprünglichen Form fortdauerten. Viele An­gelegenheiten, die in anderen Provinzen besonders des Westens den eigentlichen Wirkungs-

') vgl. v. Treitschke, Deutsche Geschichte, III. Bd., S. betr. Einzelheiten über die Wahl der Abgeordneten vgl. Boeckh, Drtschaftsstatistik des Regierungsbezirks Potsdam (f86i), S. 7yf.

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