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und eine Oberaufsicht über die Finanzverwaltung zu führen. Die neugewonnene Freiheit haben viele Landgemeinden verständig benutzt, um treffliche Schuleinrichtungen zu schaffen, Wegeverbesserungen vorzunehmen u. dgl. mehr. Überall entwickelten sich die Dinge in echt märkischer, ruhiger Gelassenheit. Freilich ist er auch wohl vorgekommen, daß die eine oder die andere Gemeindevertretung „zur Erleichterung des Verkehrs" die alten Linden auf der Dorfaue niederhauen ließ und damit die Ortschaft ihres schönsten Schmuckes beraubte!
Neben den Landgemeinden verblieben die selbständigen Guts bezirke. In ihrem Bereiche ist' der Besitzer des Gutes zu den Pflichten und Leistungen, z. B. Unterhaltung von Wegen, welche den Gemeinden für den Bereich ihres Bezirkes im öffentlichen Interesse gesetzlich obliegen, verbunden. Insbesondere hat der Gutsvorsteher als hilfs- organ des Amtsvorstehers obrigkeitliche Befugnisse auszuüben, und für die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, die vorläufige Festnahme und Verwahrung von Personen zu sorgen.
Aufklärung über neue Gesetze wird den Dorfbewohnern jetzt nicht mehr wie ehedem von der Kanzel zuteil (vgl. 5. 273), sondern in den amtlichen Kreisblättern, die vor drei bis vier Jahrzehnten zuerst zu erscheinen begannen, teilen die Landräte den Gemeinde- und Gutsvorständen alles Erforderliche mit.
Ausammenfassend sei bemerkt, daß, wie schon in früheren Perioden so auch in der zuletzt besprochenen, die Nkark kein einheitliches Bild gewährt. Die neuen Gesetze waren von besonders großer Wirkung in den Industrieorten und Vororten Berlins; in den rein ländlichen Ortschaften behaupteten sich jedoch vielfach dieselben Persönlichkeiten in leitender Stellung.
prvvinzialverwaltung nach I8IZ.
Nach f8(5 sollten die alten Landtage zu neuem Leben auferstehen und mit wesentlichen Befugnissen umkleidet wiederum ein wichtiger Faktor im Staate werden. Den neuen Wein goß man nun nicht in den alten Schlauch, denn insofern trug man auch modernen Anschauungen Rechnung, als die Bauern als „dritterStan d" jetzt auch eine Vertretung erhielten, freilich eine numerisch so schwache, daß der erste Stand der Rittergutsbesitzer niemals von Bauern und Städten überstimmt werden konnte?) Viele Jahre dauerte es, bis die Einzelheiten geregelt waren, denn das besondere Gesetz für Brandenburg sowie Preußen und Pommern ist erst vom 1. Juli l 823 datiert und wurde zusammen mit dem allgemeinen Gesetz über die provinzial st ände am Geburtstage des Königs, am 3. August 1 823, verkündet. Der erste Landtag versammelte sich im Jahre s82ch nachdem sich die Wahlen ruhig, aber unter lebhafter Beteiligung vollzogen hatten. Von einschneidender Bedeutung war nun aber, daß die in den einzelnen Landesteilen des Provinzialständischen Verbandes bestehenden kommunalen Einrichtungen, wie das oben erwähnte Pfandbriefinstitut, die Landfeuersozietät u. s. f. (die Nkarsch- und Nlolestienkasse war inzwischen aufgehoben worden), nicht auf den Gesamtverband übergingen, sondern in ihrer ursprünglichen Form fortdauerten. Viele Angelegenheiten, die in anderen Provinzen besonders des Westens den eigentlichen Wirkungs-
') vgl. v. Treitschke, Deutsche Geschichte, III. Bd., S. betr. Einzelheiten über die Wahl der Abgeordneten vgl. Boeckh, Drtschaftsstatistik des Regierungsbezirks Potsdam (f86i), S. 7yf.
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