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Bauern „gelegt" werden, um dem märkischen Agrarwesen im ganzen die bekannte gutsherrschaftliche Struktur der neueren Zeit zu verleihen, die der Große Kurfürst als Landesherr den märkischen Ständen verbürgen mußte?)
Me überall bei der Entstehung einer neuen sozialen Schicht kam die Gleichförmigkeit des Niveaus durch Hebung der unteren ebensogut als durch Senkung der oberen Elemente zustande. Der zweifellos ursprünglich slawischen Besitzform der Lassiten gab Gewohnheitsrecht auch bei mangelndem Eigentum eine gewisse Sicherheit der Vererbung und sonstigen Erhaltung. Dem entsprach jedoch, daß auf der anderen Seite die deutschen Erbzinsbauern nach und nach überall von dem „Landgebrauch" in eine lassitische „Bauerspflicht" einbezogen wurden: Ihr Besitz unterlag für bestimmte melioratorische Zwecke des Grundherrn dessen unbedingtem Auskaufsrecht, ihre Freizügigkeit war durch die Pflicht des Ersatzmanns wesentlich beschränkt; ihre dingliche Untertänigkeit wurde allenthalben, außer in der Altmark, persönlich. Die Mrkung des rezipierten Römischen Rechts in diesem ganzen Prozesse ist nur gewesen, daß es auf einen Vorgefundenen Zustand den Stempel der Theorie drückte. Es ist eine regelmäßige Beobachtung, daß eine solche rein formelle Festlegung beides günstige und ungünstige Folgen für die Betroffenen hat. Me der Mechanismus der Rechtsprechung denUntertanen den vollenSchutz eines konstruktiven dominium teri-ao zubilligte, schlug er in der Frage der Dienste mit durchgängiger Vermutung der Ungemessenheit auf die Seite der Herren aus?)
Abhängige Bauernwirtschaften dieser Art waren die dem Staate wichtigsten agrarischen Elemente. U)as das märkische Land an direkten öffentlichen Abgaben bis zur Bauernbefreiung zu zahlen hatte, die ordentlichen Beden und Kontributionen wie die außerordentlichen Landsteuern des Mittelalters, mußten unmittelbar oder mittelbar sie aufbringen. Daß ihre landwirtschaftliche Leistung darunter litt, ist nicht zu verwundern. Schon Joachims I. Lehrer Tritheim bemerkte, wie sehr es dem guten und fruchtbaren Lande an fleißigen Arbeitern fehle. Nur verwechselte er, wie es in solchen Fällen so nahe liegt, den Erfolg des gesellschaftlichen Zustandes mit seiner Ursache, wenn er die Schuld auf die Faulheit und Trunksucht der Bauern schob. Die Beobachtung, daß ihrer zu wenige seien, veranlaßte ihn offenbar auch nicht, der Erscheinung auf den Grund zu gehen?) Die Abgaben waren gleichwohl
9 vgl. die Entwicklung der Besitzverteilung im Dorfe Satzkern, Kr. Vsthavelland, von den Zeiten des karolinischen Landbuchs bis tkHH bei A. Meisten. Der Boden und die landwirtschaftlichen Verhältnisse des Preußischen Staates VI, 1901, S. n? Anm.
ff Die einseitigen Ansichten von L. Korn (Geschichte der bäuerlichen Rechtsverhältnisse in der Mark Brandenburg bis t?oo. Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgesch., Germanistische Abteil., Bd. n) und Fr. Großmann (Über die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse in der Mark Brandenburg vom m. bis zum 18. Iahrhundert Leipzig 1890) konnte L.I. Fuchs (Zur Geschichte der gutsbäuerlichen Verhältnisse in der Mark Brandenburg. Zeitschrift für Rechtsgesch., Germ. Abt., Bd. 25) 1891 befriedigend vereinigen; wichtige Korrekturen für ein Sondergebiet hat neuerdings P. I. van Niessen (Jur Entstehung des Großgrundbesitzes in der Neumark, Programm Stettin 1903) geboten.
9 w. Möhsen, Geschichte der Wissenschaften in der Mark Brandenburg, Berlin- Leipzig 1783, S. 38g.