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nur die halbe Leistung des Bauern. Leine nächste Aufgabe bestand darin, das Fundament der grundherrlichen Eigenwirtschaften zu sein vermöge der Fronden und des Gesindezwonges der Kinder. Dieser erhielt naturgemäß erst beim Anfang der neueren Zeit eine strengere Verfassung, als die adligen Vorwerke ihre größte Ausdehnung und ihren stärksten Arbeitsbedarf erreichten und zugleich die Lockerung der alten Gesellschaftsordnung die Möglichkeit der Freizügigkeit dem mangelnden Rechte darauf entgegenstellte. Der Landtagsabschied von (5(8 suchte noch eine Art staatlicher Kontrolle dieser Verhältnisse zu wahren: Er setzte dem anerkannten Prinzip des Kinderdienstes das andere, eines für die einzelnen Landesteile fest normierten Geldlohns an die Leite. Aber schon (375 geriet diese Kontrolle unter dem Drucke fortwährend steigender Arbeitsnachfrage in die Bahn der gleichzeitigen europäischen Gewerbegesetzgebung: Die Löhne wurden durch landesherrliche Verordnung nach Gesindeklassen durch Marimaltarife nach oben begrenzt. Der freie Arbeitsmarkt war vom Lande doppelt ausgeschlossen. Er blieb es bis zur Reform. Die theoretischen Grundsätze des Allgemeinen Landrechts bewiesen sich auch hier als durch sich selbst praktisch unwirksam: Das Gesetzbuch kannte nur den freien Arbeitsvertrag, aber subsidiär dazu galt als märkisches provinzialrecht die Gesindeordnung von (769, der das alte Lystem der Lohntaxen zugrunde lag. Auch nach einer anderen Richtung reichen die vom 16. Jahrhundert ausgegangenen Wirkungen bis in die späteste Zeit herunter. Der Grundsatz der Geldlöhnung trat im Beginn der neueren Zeit den Naturallöhnungsmethoden scharf entgegen. Lchon der Landtagsabschied von ( 5 ( 8 fügte zu den Lohnsätzen der Großknechte die Bemerkung: „aber kein Land/") Es war notwendig, seitdem in immer neuen Verordnungen die Verteilung von sogenanntem Gesindeacker zu verbieten. Das lag damals im Interesse des sich bildenden Lohnarbeiter- standes. Aber sollte dies nicht aller» Gegenerfolgen der absolutistischen Kolonisationen zum Trotz doch ein sehr vornehmer Grund gewesen sein, weshalb die steigende märkische Landbevölkerung schon vor der Bauernbefreiung nach unten auch ein wachsendes Proletariat besitzloser Tagelöhner absonderte. ?^) Auch den Nachkommen der Häusler und Einlieger einer Grundherrschaft versperrte der Gesindezwang den Weg in die höhere Lchicht der Angesessenen/)
Die bäuerlichen Fronden in der Wirtschaft des Herrn mußten die soziale Lage der ländlichen Untertanen ebenso Herabdrücken wie der Gesindezwang. Aus
st G. W. v. Raumer, Loäsx älplomutieus Lrancksnburxsnsis Lontinuatus II (Berlin 1855 ) 225 .
9 Ls sei hier nur an die Aufstellung von A. Fr. Büsching, vollständige Topographie der Mark Brandenburg (Berlin 1775 ), S. 52 , erinnert, wonach in der Rurmark 1624—1746 1962 Bauern- und 955 Rossätenstellen verschwanden: Daß sie nicht wieder besetzt wurden, war doch wohl die Schuld jener Proletarisierung.
h L. Lennhoff, Das ländliche Gesindewesen in der Rurmark vom 16. bis zum 19. Jahrhundert in Gierkes Untersuchungen zur Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 79, Breslau 1906. Die Meinung, daß die Rinder der stellenlosen Landarbeiter freies Gesinde gewesen seien (S. 40), berichtigt er selbst, wenigstens für die spätere Zeit, durch die Mitteilung, daß seit 1651 der Zwangsdienst Personallast war (S. 104), womit auch ALR. II 7, 118 übereinstimmt.