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und der Neumark. Nun entsprach die Schollenpflichtigkeit im allgemeinen gewiß einer Wirtschaftsordnung, ohne die auch der aufgeklärte Despotismus auszukommen nicht hoffen durfte. Anders jene persönliche Sklaverei. Sie war doch höchstens einigen individuellen Herren bequem und wurde von der späteren Zentralgewalt stets als Fremdkörper im sozialen (Organismus empfunden. Dennoch
ist sie gerade in der Mark Brandenburg so lange und in einem solchen Umfange geduldet worden, daß nur anzunehmen bleibt, die Form habe schließlich nicht viel mehr als die Kraft einer solchen besessen. Friedrich Wilhelm I- erließ 1722 und sein Nachfolger erneuerte 1769 eine kurmärkische Gesindeordnung, die auf jene lokalen Gewohnheiten bis zur Sanktion der persönlichen Verkäuflichkeit des Leibeignen Rücksicht nahm. Die provinzialrechte des neuerworbenen Schlesien und Preußen haben dann zum Vorbild für die Regelung der Guts- untertänigkeit im Allgemeinen Landrecht dienen müssen. Aber obschon hier gleich als erstes (ALR. II 7, 1H7 f.) die staatsbürgerliche Freiheit aller Bauern ausgesprochen, jede Leibeigenschaft verneint wurde, hörte darum in der Neumark die Bauernordnung von 1685 nicht auf zu gelten, in der die dortige Leibeigenschaft ausdrücklich unter diesem Namen anerkannt war. Insofern zählte mit Recht das große Edikt vom 9- Vktober 1807 diese Untertänigkeitsart noch unter den abgeschafften auf?)
Um so weniger darf der größten Tat des preußischen Staates für die märkische Landwirtschaft als Bauernwirtschaft vergessen werden: Es waren die Kolonisationen des 18. Jahrhunderts. Sie machen in der märkischen Geschichte die einzige Ansiedlungsperiode aus, die sich mit der großen mittelalterlichen an ihrem Anfang vergleichen läßt. Soweit die Schaffung neuer agrarischer Niederlassungen mit altem Kulturboden auszukommen suchte, war der Staat aus seine eigene Tätigkeit und seine eigenen Mittel angewiesen. Die Schweizer Auswanderer in den Ämtern Lehnin, Lindow und Ruppin unter Kurfürst Friedrich III. bildete das „Direktorium" der Unternehmer außerhalb der Kammerverwaltung doch eine Staatsbehörde?) Das sogenannte Büdneretablissement Friedrichs des Großen vollzog sich unter ganz bureaukratischen Formen. Einzelne lokal begrenzte Ansetzungspläne wurden je einem höheren Beamten der Domänenverwaltung zur Ausführung übertragen. In dieser Weise arbeiteten auf märkischem Grunde der Rat I. Fr. von Pfeifer, der berühmte Kameralist, 1747—1750, der Rat Brand 1751—1752, der Präsident von 5ieg- roth 1766 — 1767, der Rat von Rademacher 1765 — 1767?) Die Domänenpolitik Friedrich Wilhelms I., die den Schwerpunkt der Wirtschaft durchaus in die Vorwerke verlegte, wurde hierin grundsätzlich verändert und der Gedanke des Lubenschen Vererb-
9 !v. v. Brünneck, Die Aufhebung der Leibeigenschaft durch die Gesetzgebung Friedrichs des Großen und das Allgemeine preußische Landrecht. Zeitschr. f. Rechtsgesch., Germ. Abt., Bd. w, S. H7 (t88g).
9 H. Schneider, Die Schweizer Kolonie in der Mark, progr. Berlin S. 6.
9 Das Nähere auch über ihre Etablissements siehe bei Bargstede, Topographie der Rurmark Brandenburg, Berlin t?88, S. soz. Zu der Pfeiferschen Kolonisation gehörte auch das Dorf Brünau, das auf einer waldparzelle des Amtes Löpenick für 4 Erbzinsleute aus Pfalz und Hessen angelegt wurde; vgl. die Monographie von L. Brecht, Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins III (1875).