300
auch nur rein wirtschaftliches, sondern vornehmlich als soziales Hilfsmittel erdacht und unternommen. Und in dem Maße war ihr Vollzug großartiger, ihr Ergebnis durchgreifender. Die beteiligten Flächen gehörten nur zum kleinen Teil Privatpersonen, waren in der Hauptsache neben Domänen großer Aorporationsbesitz, wie im Oderbruch der Anteil der Stadt lVriezen, im Warthebruch die von Landsberg und des Johanniterordens; selbst mit dem Markgrafen Karl von Schwedt war erheblich leichter zu verhandeln als mit dem Kleinadel. Fast überall kam zu der höheren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Grundherren größere Einsicht in den Vorteil der Melioration. Die Kolonisten, die hier zuerst wieder in stärkeren Zügen auf einmal erschienen, stammten wie aus den verschiedensten deutschen und fremden Ländern so aus sehr entgegengesetzten sozialen Schichten. Im Oderbruch hat wohl die Menge der kleinen und armen Leute vorgewogen, die das gewonnene Land fertig gerodet und Haus und Hof gebaut und eingerichtet empfingen und daneben auf Tagelöhnerverdienst angewiesen waren, hier mußte die Kantonfreiheit die vorzüglichste Kolonisationsprämie bilden; Abgabenerlaß wurde daneben meist nur aus das nächste Jahr bewilligt?) Anders die nahezu dreimal so umfang- und erfolgreiche „Eroberung" (im Jahrzehnt 1763—75 wurden rund 3000Familien mit fast s5 000Köpfen gewonnen) des neumärkischen Bruches nach dem Siebenjährigen Kriege, hier hatte die s76H eigens konstituierte Immediatkommission unter dem Geh. Finanzrat Schönberg von Brenckenhoff von vornherein eine gleichmäßige Berücksichtigung der verschiedenen agrarischen Betriebsgrößen in Aussicht genommen: „Große" Familien sollten zum Zweck der Gespannhaltung, „kleine" zu hopfenbau und Spinnerei angesetzt werden. Eine große Anzahl der kleinen „Vorwerkskolonien" mit durchschnittlich s0 Morgen Land sind denn auch mit den sog. Spinnerkolonisten hauptsächlich der benachbarten städtischen Textilindustrie zugute gekommen — sie mußten von ihren Werklöhnen einen besonders hohen Zins aufbringen. Demgegenüber aber stand ein starkes Kontingent von wohlhabenden Einwanderern, die als Vollbauern mit mehr als 20 Morgen -er Grundherrschaft außer dem freien Bauholz in der Regel sechs Freijahre wert waren. Erst die allerjüngste Forschung hat klar gemacht, wieviel die soziale Entwicklung der märkischen Landbevölkerung diesem Zuzuge verdankt: Schon in der nächsten Folgezeit wurde durch das neue Vorbild und den Anwachs der Arbeitskräfte Herabsetzung oder Ablösung der Fronden in der ganzen Umgegend zur Notwendigkeit. So gesund war die Verteilung der Nahrungen auf dem errungenen Boden, daß erst eine spätere Zuwanderung aus weniger glücklichen Agrarbezirken die besitzlose Landarbeiterbevölkerung schaffen konnte, die heute die Neumark vor das Problem einer ausgebreiteten Sachsengängerei stellt. Von Mißerfolgen der friderizianischen Kolonisation ist überhaupt höchstens da zu reden, wo in den nichtköniglichen Anteilen — leider nach Aufhebung der Kommission >771.
*) A. Detto, Die Besiedelung des Gderbruchs durch Friedrich den Großen, Forschungen zur Brandend, und Preuß. Geschichte, Bd. l6, 190z, S. lSl- Derselbe berechnet den Gesamtgewinn auf HO—so ooo urbarer Morgen und 6^37 neue Ansiedler in N5o Familien. Seine Hauptquelle ist der Nachlaß des Dbersten von Retzow, der sowohl die Entwässerung 53
als auch die Ansiedlung irsq—ss ^ leiten hatte.